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Stammt der Mensch vom Affen ab oder der Affe vom Mensch?



Typenkreise und biologischer Zeitcharakter

Wenig von dem Wissen über die vorweltlichen Zeitalter der Erde ist allgemeines Bildungsgut geworden.  Nicht Viele von denen, die sonst in Künsten und Wissenschaften wie im Leben Bescheid wissen, haben auch eine fest umrissene Vorstellung von der Geschichte des Lebens und der Erde, von den Umwandlungen und Umwälzungen, welche die Oberfläche unseres Heimatsternes und seine Lebewesen im Lauf der Jahrmillionen durchmachten mußten.  Sie erstaunen fast, wenn sie hören, wie klar in vielen Zügen sich das Bild vorweltlicher Erd- und Lebensepochen schon abhebt von einer noch weit älteren Erdurzeit, in die wir noch nicht hineinleuchten vermögen.  Sie erstaunen noch mehr, wenn sie hören, daß die geschichtliche und die urgeschichtliche Menschenzeit, soweit sie uns bisher überhaupt bis zu den roh zugehauenen Steinsplittern des Eiszeitmenschen erschlossen wurde, vergleichsweise doch nur ein letzter Augenblick in der Wandlung der Erdoberfläche und des darüber gebreiteten Lebensteppichs ist.  Sie haben vielleicht auch durch allerlei populäre Bücher erfahren, daß der Mensch sich aus niederen Tieren "entwickelte" und daß die Geschlechter der Tiere und Pflanzen in vormenschlicher Zeit in reicher Zahl und Mannigfaltigkeit schon die Erde bevölkerten und auch fossil in den losen und festen Gesteinsschichten der Erdrinde gefunden werden.  Das alles hat in ihrer Vorstellung aber doch mehr oder weniger den Charakter einer nicht weiter in ihr Bildungsstreben eingreifenden Kuriosität, und sie bleiben im allgemeinen weit davon entfernt, es ernsthaft durchzudenken, sich einen plastischen Zeitbegriff an Hand urweltlicher Vergangenheit zu schaffen und sich zu fragen, was eine solche Perspektive für unsere ganze Daseinsauffassung bedeuten könnte.

Drei große Weltzeitalter (siehe Tabelle) stehen heute dem Erdgeschichtsforscher deutlich vor Augen.  Aus ihnen weiß er zu berichten von einem nie ruhenden Wechsel der Länder und Meere, von Gebirgsbildung und Gebirgsabtragung, von Epochen erhöhter oder abgeschwächter vulkanischer Tätigkeit, von periodischen Klimaausschlägen, unter denen es bis an die Pole hinauf bald mild und warm, bald durch das Eintreten von Eis- und Schneezeiten kühler war und Gletschermassen sich auch über Länder schoben, die wir heute in tropischer Wärme daliegen sehen.  Die großen Weltalter haben wieder ihre Einzelperioden, immer bezeichnet durch unaufhaltsam sich ändernde Erdzustände und durch bestimmte bald langlebige, bald kurzlebige Pflanzen- und Tiergeschlechter.


Fig. 1 (Bildquelle/-text: "Urwelt, Sage und Menschheit" von Edgar Dacqué, 8. Aufl. 1938, R. Oldenbourg)
Die zwischen den einzelnen Erdperioden gezogenen Striche bedeuten keine scharfen Grenzen im zeitlichen Ablauf der erdgeschichtlichen Zustände und Vorgänge, als deren Produkt die Formationen, also die gleichalten Gesteinsserien der Erde mit ihren pflanzlichen oder tierischen Fossileinschlüssen, verdeckt oder offen aus früheren Zeitaltern daliegen.  Auch sind die einzelnen Zeitabschnitte und Weltalter unter sich zeitlich nicht gleich lang, wie es nach den regelmäßigen Rubriken auf der Tafel scheinen möchte.   Wenn man das Känozoikum =  1 setzt, so darf man nach der durchschnittlichen Gesteinsmächtigkeit seiner Ablagerungen das Mesozoikum = 3,
das Paläozoikum = 12 nehmen.  Eine absolute Zeitdauer, wonach der Nichtfachmann so gerne fragt, hat sich bisher noch nicht berechnen lassen. 
Doch mag man schätzungsweise für das Quartär rund 500 000 Jahre, für das ganze Känozoikum (mit Einschluß des Quartärs)

5-8 Millionen Jahre rechnen; demnach für das Mesozoikum 15-24 Millionen und für das Paläozoikum 60-100 Millionen.  Möglicherweise sind dies Minimalwerte, doch zeigen sie, bis auf welches geringe Maß die vielfach verbreiteten größeren Ziffern zurückzuführen sind.  Die vorpaläozoischen großen Zeitalter bis zurück, zur Urzeit der Erde mit der hypothetischen ersten Krustenbildung um den glühenden Erdball übertreffen jene drei genannten Weltalter um ein Vielfaches an Zeitdauer.  Aus ihnen kennt man jedoch wenig Sicheres und vor alleim keine klar definierbaren, Tier- und Pflanzenreste wie aus den drei ersteren Weltaltern, die man deshalb auch als geologisch-historische Zeit den früheren Ären des Eozoikums und Azoikums gegenüberstellt.


Zahllos sind die Lebewesen, die solcherweise in den Jahrmillionen vorweltlicher Zeitalter über die ihr Gewand stets wechselnde Erde dahingingen.  Immer wieder neue Gestalten drängten sich hervor, bald langsam, bald hastig dem Schoß der Erde entquellend.  Meeres- und Landtiere, Mollusken und Korallen, Gewürm und Lurche, Vögel und Säugetiere sind uns in fossilen Resten überliefert aus allen Zeiten - nur der Mensch nicht; bloß in dürftigen Körper- und Werkzeugresten ganz zuletzt, aus den spätesten Schichten, wie wenn sein Dasein nur der letzte ausklingende Pulsschlag der lebenschaffenden Natur wäre.  Man beruft sich auf die Abstammungslehre und gibt einen hypothetischen Stammbaum der Lebewesen, dessen Endglied der Mensch sein soll - ein Spätgeborener. 

Die von Linné im 18. Jahrhundert geschaffene und später nicht mehr grundlegend geänderte Einteilung der lebenden Formen in Arten, Gattungen, Familien usw. wurde späterhin auch auf die vorweltlichen, auf die fossilen Formen übertragen und hat in dieses Wirrsal äußerlich einstweilen Ordnung gebracht.  Die hiermit aus dem Leben herausgehobenen abstrakten Systemgruppen wurden im Laufe des 19. Jahrhunderts immer reicher vermehrt und durch neu und neu hinzuströmendes fossiles Tier- und Pflanzenmaterial.  Die formale Abgegrenztheit und Starrheit der Linnéschen Systemgruppen aber schien dahinzuschwinden, als die Abstammungslehre alle lebendigen Formen als Glieder einer zusammenhängenden Kette, als Äste und Zweige eines natürlichen Stammbaumes aufzufassen suchte.  Trotz der hiermit scheinbar eingetretenen Verwischung fester Grenzen zwischen den Arten, Gattungen und Familien brachte die Abstammungslehre doch nicht etwa wieder die frühere Unübersichtlichkeit mit, sondern lieferte nun Liniensysteme, an denen die vielen organischen Formen geschichtlich, also entsprechend ihrem Auftreten in den Erdzeitaltern aneinandergereiht wurden.  Was erdgeschichtlich früher da war, konnte nicht der Nachkomme der erdgeschichtlich Späteren sein, und umgekehrt.  So schien eine exakte Begründung des Lebensstammbaumes gegeben, und man sollte denken, daß sich mit dieser Methode alsbald klare, eindeutige Stammreihen ergeben hätten.

Doch eine neue Verwirrung trat ein.  Man hatte zu einfach gedacht.  Denn man hielt die größere und geringere Formähnlichkeit der Arten und Gattungen auch für den unmittelbaren Ausdruck ihrer engeren oder weiteren Blutsverwandtschaft.  Reihte man aber die jetztweltlichen und die vorweltlichen Arten, statt nach der Zeitfolge, nach ihrer größeren und geringeren Formgleichheit aneinander, so stimmte diese formale Reihenfolge nicht mehr oder nur in ganz seltenen Fällen und auf ganz kurzen Linien mit der wahren geologischen Zeitfolge überein.  Auch ließen sich die gleichen Arten zu ganz verschiedenen Formenreihen anordnen, je nach den Körpermerkmalen, wonach man sie gerade genetisch zu beurteilen versuchte.  So mußte man etwa bei der vergleichenden Betrachtung der Fußumwandlung in der Huftiergruppe eine fossile Art als das Vorläuferstadium einer anderen ansehen; vergleicht man aber statt des Fußes das Gebiß, so erschien hierin die in der Fußentwicklung nachkommende Art nun ihrerseits wieder als ein primitiveres Entwicklungsstadium.  Man bezeichnet diese, stets eine stammesgeschichtliche Verwirrung anrichtende Erscheinung als Spezialisationskreuzung und hat nunmehr klar erkannt, daß in ihr die prinzipielle Unmöglichkeit beschlossen liegt, aus der äußerlichen Aneinanderreihung der Formbildung zu dem theoretisch geforderten, aber auch erkenntniskritisch nicht haltbaren echten Stammbaum der organischen (1) Typen zu gelangen.  Zwar bekommt man durch die Aneinanderfügung von Formstadien ideale Reihen, mit denen sich abstrakt eine Formumwandlung klar veranschaulichen läßt, aber sie erschließen uns nicht die wirklich naturhistorische Herkunft einer Art oder Gattung aus der anderen, die lediglich in der vorembryonalen "Keimbahn" verläuft.  Die sichtbaren Formen sind nur die Symbole hierfür.  So lernte man, die Begriffe Gleiches, Ähnliches und Formverwandtes von dem Begriff des innerlich Verwandten trennen, welche, wie man sieht, in der Körpergestalt durchaus nicht immer und gewiß nicht immer unmittelbar ihren Ausdruck finden brauchen.

Wir wissen längst, daß der Ursprung der Hauptäste und vieler Nebenäste des Lebensreiches weit hinunter in immer dunkler werdende Epochen der Vorwelt reicht; wir wissen auch längst, daß vieles Neue unvermittelt, nicht mit Früheren stammbaummäßig verknüpft, auftauchte.  Aber man macht sich immer noch nicht zu der rettenden Betrachtung frei, die uns aus der Erfolglosigkeit aller Stammbaumkonstruktionen lösen kann: die erdgeschichtlich gegebene Geschlechterfülle anzusehen als die lebendige Auswirkung fest gegebener Grundtypen, die zwar während der vorweltlichen Epochen in stets wechselnder Gestalt, jedoch ihr Wesen stets bewahrend, frei nebeneinander standen und vermutlich nur in einer unserem Forschen bisher noch nicht aufhellbar gewordenen erdgeschichtlichen Urzeit, vor jenen drei großen Weltaltern, genetisch verknüpft waren.

Stellt man sich entschieden auf den Standpunkt einer solchen Typentheorie, wie sie meines Erachtens die Paläontologie uns aufnötigt - gleichgültig, ob man etwas Starres oder begrenzt Flüssiges in den Typen sehen will - so könnte es scheinen, als ob damit ein Rückschritt gegenüber der bisherigen stammbaumdenkenden Lehre gemacht sei.  Vielleicht wird damit auch wirklich ein Schritt zurück von der bisherigen Anschauung gemacht mit dem Gewinn, daß man von diesem wieder erreichten ursprünglicheren, unbefangeneren, rückwärts liegenden Betrachtungspunkt eine Aussicht gewinnt, welche durch die allzu große Nähe der Deszendenzmauer bisher versperrt blieb.  Hält man daran fest, daß Typen von jeher nebeneinander bestanden, wenigstens für die erdgeschichtlich sicher erkundeten Zeiten; hält man weiter fest, daß die Typen, nachdem sie einmal als organische Formen Fleisch und Blut angenommen hatten, sich in immer neuen Gestalten zum Ausdruck brachten, ohne von da ab mit anderen Typen genetisch verbunden zu sein; und endlich, daß sie unter dem Bild einer Umwandlung immer wieder von Zeitalter zu Zeitalter an andere Lebensverhältnisse angepaßt erschienen, bis sie ausstarben, und daß nur insoweit die Evolutionstheorie gilt - so leuchtet es zugleich auch ein, daß unter bestimmten Zeit- und Lebensumständen die nebeneinander bestehenden Typenkreise in konvergenter Weise ein gleichartiges Aussehen ihrer Gattungen, gleichartige äußere Körpergestalt und oft gleichartige Einzelorgane gewannen.  Ob solche Formenkonvergenzen von den äußeren Lebensumständen oder von einer inneren gleichartigen konstitutiven Gestaltungskraft, von gleichen Evolutionsstufen abhängen, ist hier für die Feststellung der Tatsache zunächst belanglos.  Ist ihnen aber in einem bestimmten Zeitpunkt dasselbe Kleid, dasselbe habituelle Gebaren und vielfach dasselbe mehr oder minder auffallende Einzelorgan zuteil geworden, dann erscheinen viele oder alle Gattungen innerhalb solcher Typenkreise so, als ob sie zu einer genetisch einheitlichen Stammesgruppe gehörten, wie etwa Affen und Mensch, während sie doch nur biologisch-habituell gleichartig sind oder sich sogar in ihren Abkömmlingen überkreuzen können, unbeschadet ihrer trotzdem weiterbestehenden evolutionistischen Wandlungsfähigkeit, worin sie immer wieder ihre Grundkonstitution, ihren Typus, ihre Entelechie manifestieren, einerlei, ob sie dabei formalähnlich bleiben oder sich später in ihrer Gestalt wieder voneinander entfernen.

Um eine klare Vorstellung von dem Unterschied zwischen der älteren, heute gewiß noch nicht überwundenen stammesgeschichtlichen Auffassung einerseits und der Lehre von den konvergierenden und wieder auseinandertretenden Typenkreisen andererseits zu vermitteln, seien hier zwei Figuren gegeben.


Fig. 2 (Bildquelle/-text: "Urwelt, Sage und Menschheit" von Edgar Dacqué, 8. Aufl. 1938, R. Oldenbourg)
Schema des Stammbaumes (A) und der sich überschneidenden Typenkreise (B) mit scheinbaren Stammreihen (Pfeile).  I-IV geologische Zeiträume (s. obige Tabelle)


Die eine (A) liefert das Bild des Stammbaumes durch die Zeitalter I-IV, und zwar so, als ob aus irgend einer konkreten Urform sich der Lebensbaum entfaltet hätte.  Die untersten Teile wären früher niedere Tiere, nach oben folgten, aus ihnen hervorgehend, immer höhere in immer größere Mannigfaltigkeit; vielleicht zuletzt aus einem Primatenzweig der Mensch.  Wäre dieses Stammbaumbild als Ganzes oder in Vielheit auf das Hervorkommen der organischen Formen im Lauf der Erdgeschichte anwendbar, so müßten wir bei tieferem Hinabsteigen in die Erdzeitalter immer weniger zahlreiche Formen finden.  Doch das Gegenteil ist der Fall: wir stoßen immer wieder auf neue Typenkreise, die durchaus nicht stammbaumförmig sich aneinanderreihen, wohl aber zu gleicher Zeit sich vielfach gestaltlich in ihren Repräsentanten so begegnen, daß sie sich formal verknüpfen lassen.  Der Darstellung dieser Erscheinung dient die andere Figurenhälfte (B): sie veranschaulicht die typenhafte Selbständigkeit der den natürlichen Stämmen zugrundeliegenden Entwicklungskreise a-d und zeigt, in welcher Weise Übergangsformen, die man nach der älteren Auffassung für stammesgeschichtliche Abzweigungsstellen ansah, zustandekommen können.  Es sind einander formal überschneidende Evolutionen innerhalb jedes Typus, nicht notwendig regelmäßig und in gleichem Umfang in Erscheinung tretend, sondern unregelmäßig, von äußeren Bedingungen vielleicht bestimmt und in verschiedenerem Mengenumfang.  Solche Formüberschneidungen können auch an mehreren Stellen und in verschiedenen geologischen Zeithöhen, vielleicht sogar wiederholt eintreten; es kommt dann eine besonders verwirrende Fülle gleichartiger, aber ganz verschiedenen Typenkreise (a-d) zugehöriger Gattungen zu gleicher oder verschiedener geologischer Zeit zustande.  Denkt man sich das sphärisch und in seiner ganzen Plastik auf die Gestaltenbildung in der Natur und auf die fossil vorliegenden Formen aus den Erdzeitaltern übertragen, so bekommt man ein klares Bild davon, wie trotz fest gebundener Lebenskreise, Lebenstypen, dennoch zu gleicher Zeit außerordentlich ähnliche Gestalten, ohne unmittelbar blutsverwandt zu sein und ohne einen unmittelbar zusammenhängenden Stammbaum zu bilden, erscheinen können.  Diese formalen Überschneidungen sind es, welche immer und immer wieder zu den prinzipiell verfehlten "Stammbäumen" Anlaß geben, wie sie mittels der Pfeile angedeutet sind und die notwendigerweise irreführen, weil sie keine wirklichen Entwicklungsbahnen bezeichnen, sondern nur formale Ähnlichkeiten zusammenfassen und die Umgrenzung der lebendig in sich geschlossenen Typenkreise nicht sehen.  Es seien Beispiele für solche Formüberschneidungen gegeben oder, was dasselbe ist, für die zu gleicher oder verschiedener Zeit immer wieder eintretende ähnliche Organbildung oder Formgestaltung in heterogenen Stammkreisen.

Im paläozoischen Zeitalter, der ältestbekannten Epoche vorweltlicher Lebensentwicklung, tritt bei verschiedenen, genetisch nicht unmittelbar verbundenen Gruppen in der Schädelkapsel ein Scheitelauge (Parietalorgan) auf. 


Fig. 3 (Bildquelle/-text: "Urwelt, Sage und Menschheit" von Edgar Dacqué, 8. Aufl. 1938, R. Oldenbourg)
Panzer des Vorderkörpers eines paläozoischen Fisches mit zwei verschmolzenen Normalaugen; davor und dahinter je eine Stirn- und Scheitelöffnung. 
Verkl. (Nach W. Patten.  Mém. Acad. St. Pétersbg. 1903.)



Zuerst erscheint eine Stirnöffnung bei einigen altpaläozoischen Fischen; bei anderen, die hierin wohl ursprünglicher sind (Fig. 3), zugleich hinter den vereinigten Normalaugen auch noch eine Scheitelöffnung; später bei den Amphibien nur ein Scheitelloch, welche damit vollendet auf den Plan treten.  Sie behalten es bis in die Triaszeit hinein, wo es mehr und mehr rudimentär wird.  In der Permzeit kommen die Reptilien hinzu, und diese besitzen es stets in voller Entwicklung (Fig. 4), ebenfalls bis in die Triaszeit, wo es sich auch schon häufig rückbildet.


Fig. 4 (Bildquelle/-text: "Urwelt, Sage und Menschheit" von Edgar Dacqué, 8. Aufl. 1938, R. Oldenbourg)
Fossiler Schädel eines Reptils der Permzeit (Casea) aus Texas mit besonders stark entwickeltem Scheitelloch.  2/3 nat. Gr.
(Nach S. W. Williston.  Americ. Perm. Vertebrat.  Chicago 1911.)



Alle Amphibien- und Reptilformen nun, die man im mesozoischen Zeitalter antrifft und die im Besitz eines vollentwickelten Organes sich halten, sind wahrscheinlich Angehörige älterer, nämlich aus der Permzeit schon stammender Typenkreise.  So wäre also das Spätpaläozoikum die bei vielen höheren Tieren das Scheitelauge schaffende "Zeit".  Es lebt aber heute noch auf Neuseeland ein kleines, groteskes Reptil von einem Aussehen, wie wir es den alten erdgeschichtlichen Reptilien mit ihrer Hautpanzerung und den scharfen Konturen ihres Körpers und Kopfes vielfach beilegen müssen.  Diese Echse besitzt das Scheitelauge noch recht deutlich, wenn auch schon in einem rudimentären Zustand gegenüber den permisch-triassischen Formen.  Aber sie ist auch kein jungzeitliches Reptil.  Sie gehört einem Generaltypus an, der sich bis in das paläozoische Zeitalter hinein zurückverfolgen läßt, dort sogar reichlich formbildend war und auch das Mesozoikum in einigen Arten durchdauert.  Wüßten wir von ihrem Stamm aus früheren Zeiten nichts und fänden wir erst heute diese Echse lebend, so könnten wir allein aus dem Vorhandensein jenes so auffallenden und bisher naturgeschichtlich immer noch nicht gedeuteten Organs alsbald Alter und Herkunft ihres Typus angeben.  In schwach rudimentärem Zustand haben es auch die Eidechsen noch, und auch diese sind, wie die Paläontologie anzunehmen Grund hat, aus gemeinsamer Wurzel mit jenem Typus der neuseeländischen Echse zu paläozoischer Zeit entstanden.  Man sieht, welche bedeutsamen Ausblicke ein solches, den Zeitcharakter vergleichend berücksichtigendes Verfahren bei gehöriger künftiger Durcharbeitung bietet.  Wenn aber eine formbildende Epoche erst vorüber ist, so bekommt kaum je ein später neu auftauchender Stamm ein solches Organ oder eine solche Körpergestalt in derselben Weise wieder, wie es einer älteren Epoche entsprach.

Es sei weiter auf die Molchgestalt hingewiesen, die sich äußerlich auszeichnet durch breit ausladende Extremitäten nach Art des Salamanders.  Die typische Molchenzeit aber ist die letzte Hälfte des paläozoischen Zeitalters.  Da finden wir nicht nur "Molche" oder, besser gesagt, Uramphibien mit den habituellen Merkmalen solcher, sondern zur selben Zeit, zum Teil vergesellschaftet mit ihnen, echte Reptilien, welche aber durch ihren breiten Kopf, ihre Körperhaltung, kurz durch ihre ganze Tracht den Molch nachahmen, ohne zu seinem Stamm zu gehören.  Wieder eine andere Zeitepoche bringt die Schildkrötengestalt hervor.  Wie das spätpaläozoische Zeitalter eine Molchgestalt, so schafft die Triaszeit die Schildkröte.  Denn nicht nur die echten, heute noch als solche bezeichneten Schildkröten erscheinen damals zuerst, um sich von da an weiter zu gestalten, sondern auch in einer ganz anderen Gruppe kommen Schildkrötengestalten zum Vorschein, die eben keine sind, sondern sich deren Kleid borgen.  Oder wir sehen seit der Alttertiärzeit in sehr verschiedenen Säugetiergruppen, die man deshalb unter dem Namen Huftiere zusammenfaßte, den fünf- und vierzehigen Fuß unter Rückbildung seiner äußeren Zehen in den zweihufigen der Rinder und Hirsche einerseits und in den einhufigen der Pferde andererseits übergehen.  Kein ein- oder zweizehiger Unpaarhufer ist älter als die mitte der Tertiärzeit; und obwohl jene Rückentwicklung auf den verschiedensten Stammlinien unabhängig und parallel verlaufend sich vollzog, so blieben doch die sich gleichenden Stadien an gleiche Zeitperioden gebunden und erlauben daher bei Einzelfunden der Skelette eine sehr genaue Bestimmung des geologischen Alter ihrer Lebenszeit.  Die mesozoische Epoche hinwiederum ist jenes Zeitalter der Lebensentfaltung, wo unter den Landtieren der mehr oder minder aufrechte Gang (Fig. 5) auf den beiden Hinterfüßen angestrebt wird, im Gegensatz zu dem ursprünglich gleichmäßigen Gang auf allen Vieren, wie ihn in primitivster Weise der "Molchtypus" des spätpaläozoischen Zeitalters hatte.


Fig. 5 (Bildquelle/-text: "Urwelt, Sage und Menschheit" von Edgar Dacqué, 8. Aufl. 1938, R. Oldenbourg)
Fossiles Reptilskelett von Raubtiercharakter (Tyrannosaurus) mit stark verlängertem Hinterbein bzw. sehr verkürzten Vorderbeinen und halb aufrechtem Gang.
 Kreidezeit, Nordamerika. (Nach H. F. Osborn, Bull. Am. Mus. Nat. Hist. New York 1917.) 
Zum Größenvergleich ist ein stark ausgewachsenes jetztweltliches Menschenskelett dazugestellt.



Bei den Landtieren des mesozoischen Zeitalters haben viele Gruppen lange, kräftige Hinterbeine und kürzere Vorderbeine, wodurch sie mit Unterstützung  ihres kräftigen Schwanzes aufrecht gehen konnten.  Ja einige von ihnen haben hohle Knochen wie Vögel, wobei schließlich in der Jurazeit auch vogelähnliche Geschöpfe selbst erscheinen, vielleicht gefiederte Reptilien mit langen Hinter- und kürzeren Vorderextremitäten.  Diese ganze Formengesellschaft verrät also während des mesozoischen Zeitalters die Tendenz zu jener Erhebung des Körpers auf den Hinterbeinen, wodurch das mehr und mehr aufrechtgehende und das durch hohle Knochen erleichterte, schließlich vogelähnliche Tier, mit zunehmender Befreiung der Vorderextremität vom Boden, hervorgebracht wird.

Es gibt eine im Lauf der Erdgeschichte nicht selten wiederkehrende Erscheinung, die mit diesem Gesetz der Zeitcharakterbildung im Wesen wohl gleichzusetzen ist: daß zu bestimmter Zeit eine gleichartige Spezialform in verschiedenen Gruppen und Stämmen sich herausbildet.  Es ist gerade, als bedürfe die Natur an vielen Stellen einer bestimmten Tiergestalt und präge sie aus irgend welchen anderen Formen, die ihr gerade an den Plätzen zur Verfügung stehen.  Das bekannteste und auch anschaulichste Beispiel ist die Nachahmung vieler höherer Säugetiertypen bei der niedrigen Beuteltierfauna Australiens.  Da finden wir einen Beutelwolf, einen Beutellöwen, -bären, -dachse, -ratten, -mäuse, fledermäuse, die alles das darstellen, um nicht zu sagen nachahmen auf der Grundlage des Beuteltierkörpers, was jene Tiergestalten des Wolfes, des Löwen, des Bären usw. in der uns geläufigen höheren Säugetierwelt sind.  "Das Beuteltier als Wolf", "das Beuteltier als Ratte" - das wäre die richtige Bezeichnung für diese eigentümlichen Tierformen.  Da solche nun schon in der Tertiärzeit da waren, heute aber fast auf Australien beschränkt und bei uns sowie in Amerika fast, in Asien ganz verschwunden sind, so hat sich daraus das viel zitierte, aber auch viel mißverstandene Wort ergeben: Australien stehe mit seiner Tierwelt noch im Tertiärzeitalter.  Natürlich ist dies irrig, weil die Beuteltiere, anderwärts aussterbend, in Australien noch als Relikten übrig blieben, aber nicht erst in der Quartärepoche dort entstanden sind; denn nur die Entstehung solcher Formen ist für die Tertiärzeit charakteristisch, und die gab es damals auch schon in Australien; das Ausdauern kann in verschiedenen Gegenden je nach den inneren und äußeren Lebensumständen der Tiere verschieden lange währen. 

Die Lemuriden, eine gegenwärtig wesentlich auf Madagaskar eingeschränkte Halbaffensippe, erscheint wie viele andere Typen der Säugetiere, schon im frühesten Teil der Tertiärzeit.  Auch bei ihnen wird allerlei nachgeahmt.  Da entsteht das lemuroide Nagetier, das lemuroide Raubtier, die lemuroide Fledermaus - alle mit entsprechendem Gebiß und korrespondierenden Skelettmerkmalen, jedoch nie den Urtypus verleugnend.  Da die Signatur der Tertiärzeit bei den Primaten, je länger je mehr, auch die Herausbildung des anthropomorphen Affen ist und auch diese Evolution in verschiedenstämmigen Gruppen konvergent vor sich geht, auch bald mehr, bald weniger erreicht wird, so wird auch der Lemuridentyp von solcher Formbildungstendenz ergriffen und stellt überdies noch seine "Affenarten" heraus, die nun wie stammesgeschichtliche Übergangsformen zu typenhaft echten Affen aussehen.  Wie bei den Lemuriden, so kommen auch in anderen Stammtypen während der Tertiärzeit allerlei habituelle Charaktere dessen zum Vorschein, was zuletzt die Menschenaffen repräsentieren und was auch der Mensch in der Gestalt des Steinzeitmenschen teilweise noch an sich trägt.  Bald früher, bald später erscheint unter der Säugetierwelt der Tertiärzeit in den Stammtypen das Affenähnliche, und zwar umso mehr, je später es geschieht.  Alle sich an dieser Entwicklung ganz oder nur in einzelnen Ästen beteiligenden Stämme und Stämmchen der Säugetiere aber bleiben trotzdem als solche nebeneinander bestehen, bilden je nach ihrer Grundkonstitution eigene Affenmerkmale aus, wie auch der Menschenstamm selbst damals wohl am meisten pithekoide Merkmale zur Schau trug und wahrscheinlich zur Entstehung gewisser von da ab tierisch gebliebener Menschenaffen sein Teil beitrug.  So kamen jene gesuchten und teilweise gefundenen formalen Übergangsglieder zustande, die man für stammesgeschichtliche Bindeglieder zwischen Mensch und Affe ansah, während es konvergente Formgestaltungen waren, im Sinne der Figur 2 B.

Wir haben also mit dem Gesetz der Zeitformenbildung, das sich an fest gegebenen Grundtypen unter dem Bild einer Entwicklung verwirklicht, eine neue vergleichende Anatomie auch für den Menschen, die uns sagen wird, wann er entstand.  Wenn die bisherige Methode der Betrachtung organischer Formen mehr und mehr das innerlich Typenhafte vom äußerlich Konvergenten trennen lehrte, so wird durch die neuartige Vergleichung der Formen nach ihrem Zeithabitus eine Art biologischer Zeitsignatur für die einzelnen geologischen Epochen festgestellt, die uns jeweils sichere Schlüsse auf das Entstehungszeitalter eines Typus, eines Urformenstammes, ja eines einzelnen Organes erlaubt, auch ohne daß wir durch Fossilfunde selbst den gegenständlichen Nachweis für den erdgeschichtlichen Augenblick des ersten Auftretens eines Typus erbringen können.  Wir sind somit auch imstande, aus persistierenden oder rudimentären alten Form- und Organbildungen der jetztzeitlichen Lebewesen, also auch des Menschen, das Entstehungszeitalter des Stammes selbst zu ermitteln.  Der Zeitcharakter ist somit etwas durchaus Reales und nur einmal Gegebenes; wer ihn späterhin noch trägt, ist seiner Zeitherkunft nach daran erkennbar.

Ein weiteres, in der Entwicklungslehre enthaltenes Problem ist der Begriff des Höheren und Niederen, des Entwickelten und Unentwickelten, Ausdrücke, die wie Selbstverständliches in der Abstammungslehre gebraucht werden, jedoch ohne zureichende erkenntniskritische Durchdringung.  Auch diese beiden Begriffe werden formalistisch und doch zugleich in einem absoluten Sinne gebraucht.  Man erklärt das amöboide Schleimtier für niederer als das Molluskentier, dieses für niederer als den Krebs, diesen für niederer als den Fisch, diesen für niederer als den Lurch oder das Reptil, dieses für niederer als das Säugetier und den Menschen.  Das ist eine unnaturwissenschaftliche Betrachtungsform gewesen, hinter der verkappt mit dem Maßstab des Seelischen und des menschlich Geistigen oder allenfalls nur des Ästhetischen gearbeitet wurde.  Denn von der Körperorganisation schlechthin aus gesehen ist es gar nicht möglich, zu einer solchen absoluten Bewertung von Höherem und Niederem zu kommen, und der nur naturwissenschaftliche mechanistische Standpunkt gibt dafür überhaupt keinen Maßstab her.  Daß man auch in der nach mechanistischen Zielen strebenden Deszendenzlehre den Menschen das höchstentwickelte Geschöpf nannte, zeigt nur, wieviel metaphysisches Ausdeuten gerade in dieser Lehre steckt, die von dem Begriff der "Entwicklung", der durch und durch metaphysisch ist, trotz der formellen Verneinung, niemals losgekommen ist.  Ohne metaphysisch orientiertes Werturteil ist kein Kriterium zu finden, wonach man ein Tier, einen Organismus, der eben niemals Maschine ist, für höher oder niederer erklären könnte.  Das haben auch die gänzlich metaphysiklosen Charakter unter den biologischen Forschern der vergangenen Zeitepoche stets gefühlt, und deshalb gab es auch in der hohen Zeit der dezendenztheoretischen Forschung stets eine große Zahl von Gelehrten, die sogar eine Stammbaumbeschreibung ablehnten und sich ausschließlich der anatomisch vergleichenden Beschreibung der Arten widmeten, womit sie die breite und sichere Grundlage schufen, von der aus allmählich die formalistische, aber nicht biologische Abstammungslehre selbst überwunden werden konnte.

Hiermit hängt aufs engste auch die Klärung des Begriffes Fortschritt zusammen, der gleichfalls einen naturhistorischen und einen metaphysischen Sinn hat, die beide gerade in der Abstammungslehre methodisch nicht klar auseinandergehalten worden sind.  Solange man die organische Welt als eine geschlossene Kette auseinander hervorgehender Arten ansah, war das Linnésche System zugleich das Idealbild des Stammbaumes.  Als dieses ideale Bild unter den Fossilfunden in Stammreihen zerfallen war, hielt man die Umwandlung innerhalb dieser für einen Fortschritt und setzte den Begriff mit dem der Entwicklung gleich.  Zuletzt sah man, daß Entwicklung und Fortschritt nur idealisierte Ausdrücke für einseitige Spezialisation aufeinanderfolgender Formenstadien waren, und nur so hat der Ausdruck Fortschritt derzeit überhaupt noch in der Biologie einen greifbaren Wert.  Fortschritt im streng naturhistorisch-stammesgeschichtlichen Sinn ist aber nichts Allgemeines, sondern stets eine Formbildung in bestimmter Richtung, also geradezu eine Einseitigkeit; denn er geht immer auf Kosten und unter Ausscheidung anderer Möglichkeiten, die oft biologisch nicht weniger wichtig wären.  Es wird bei einmal gegebenen Typen von der Natur auf bestimmte Lebensformen und Anpassungen sozusagen hingearbeitet, womit andere ausgeschlossen bleiben.  Nicht anders ist es ja auch im Leben der Völker und Kulturen: bestimmte Grundanlagen werden entwickelt, das ist: spezialisiert.  Latente Möglichkeiten entfalten sich, andere bleiben unentwickelt oder bleiben auf halbem Wege zurück oder verkümmern, je nach den äußeren Bedingungen.  So ist es in der organischen Welt, und hierin ist kein Unterschied zwischen den Gattungen der Lebewesen und den Lebensbildungen der Kulturen.
In diesem Sinne gibt es auch keine Rückwärtsentwicklung.  Was aus der latenten Bindung im Typus entspringt und sich als Form gestaltet, kann sich halten oder wieder untergehen oder sich einseitig weiterbilden oder verkümmern; aber eine rückläufige Entwicklung des einmal Gestalteten, eine Rückkehr zum Ausgangspunkt und von da aus das Begehen eines neuen Entwicklungsweges, das gibt es in der Welt der organischen Bildungen niemals; sie sind alle geführt von dem unentrinnbaren Gesetz der Nichtumkehrbarkeit.  Nur in der geistigen, in der sittlichen Welt gibt es die völlige Umkehr und das Verlassen des weit begangenen Weges unter großen Katastrophen oder inneren Erleuchtungen; aber in der Welt des Natürlich-Organischen kennen wir diese Freiheit nicht.

Wie aber mußten unter solchen Umständen die Urformen aussehen?  Waren das neutrale Wesen, die noch nach keiner Richtung spezialisiert waren, also - da jede nur denkbare Körperform an sich schon eine Spezialisation ist - überhaupt keinen Körper hatten? 
Hier zeigt sich erst die begriffliche Unsicherheit der äußerlich verfahrenden alten Abstammungslehre.  Denn ihr bedeutet Urform ein neutrales Geschöpf, aus dem durch fortgesetzte Zeugung und Umwandlung von Generation zu Generation schließlich spezialisierte Formen entstanden; der Streit dabei war nur der, ob diese Wandlung aus äußeren, also zufälligen, oder inneren konstitutionellen, nämlich im tieferen Sinn evolutionistischen Gründen geschehe.  Wir aber verstehen unter Urform nicht einen solchen stammes-geschichtlich neutralen körperlichen Anfangspunkt, sondern die in allen zu einem Typus gehörigen Arten und Gattungen, auch in den anfänglichen, schon vollständig vorhandene typenhaft konstitutionelle Gebundenheit und Bestimmtheit, die Potenz, die bei allem äußeren evolutionistischen Formenwechsel als das Lebendig-Beständige das ist - eine Entelechie, wie auch Goethe wohl den Begriff Urform faßte.  Es bekommt damit auch das deutsche Wort Entwicklung erst seinen tieferen, von der Sprache unbewußt schon erschlossenen Sinn zurück, als eine Manifestation des innerlich schon Vorhandenen.

Vom ersten Augenblick ab, wo eine Urform in der lebenden Natur in Gestalt einer oder mehrerer Arten sich darstellt, ist sie kein Schemen, sondern ein Wesen mit Fleisch und Blut, voll Anpassung an die ihr gemäßen Lebensumstände.  Das Kennzeichen der lebendigen Wesen ist gerade das, daß ihre natürliche Körperhaftigkeit durch und durch biologisch zweckentsprechenden Anpassungen und Spezialisierungen besteht, selbst wenn diese einen geringen Grad der Vollendung gegenüber anderen, besser angepaßten Formen haben oder sogar gelegentlich fehlgeschlagen sind inbezug auf bestimmte Umweltbedingungen.  Ein Typus wird gewöhnlich von mehreren, unter verschiedenen Lebensbedingungen stehenden Arten vertreten; doch selbst wenn er nur von einer einzigen Art und wenigen Individuen vertreten wäre, so müßten auch diese angepaßt und in ihrer Form nach irgend welchen Richtungen spezialisiert sein, und wären sie auch die allerältesten und primitivsten des Typus; denn anders können und würden sie in der wirklichen Welt nicht gelebt haben.  Man darf daher nicht erwarten, irgendwo in der Erdgeschichte einmal Urformen zu finden, die in ihrer Form neutral, nichtssagend, schemenhaft gewesen wären.  Stets hat sich das Leben in wirklichen Charaktergestalten ausgelebt, die auch stets ihre eigene Grundform variierten, ihren eigenen Typus verwirklichten, wenn er auch noch so sehr durch biologische Zeitcharaktere verhüllt worden wäre.  Damit ist die stammes-geschichtliche Entwicklung nicht verneint, sondern nur ihre unbiologische, allzu formalistische Auffassung.

Das ist als Hauptgesichtspunkt nun auch bei der Nachforschung nach ältesten Menschengestalten obenan zu stellen.  Auch diese können selbst in ihrem denkbar ursprünglichsten Zustand nichts weniger als Schemen gewesen sein, sondern müssen unbedingt den menschlichen Typus, wenn auch unter mannigfachsten Zeitgestaltungen, zum Ausdruck gebracht haben.  Damit scheiden von selbst alle Verknüpfungen des Urmenschen mit den Spättieren aus, wobei man immer wieder das mit dem Menschen genetisch unmittelbar nicht Zusammengehörige mit ihm verbinden, aus dem man ihn ableiten will und womit man zu so grotesken Ergebnissen geführt wird, wie dem, daß sein Typus irgendwie zu sehr später erdgeschichtlicher Zeit aus spezialisierten Säugetieren hervorgegangen sein könnte.

Es erschlossen sich der bisherigen Abstammungslehre statt wirklicher Stammbäume stets nur formal aneinandergereihte habituelle Formenketten, während die persistenten Stammtypen als solche ihr unsichtbar blieben, insbesondere der Menschentypus selbst, den die mehr oder minder ähnlichen Affentypen am Ende der Tertiärzeit und zuletzt wohl auch der nach der Affenseite hin degenerierte Eiszeitmensch wie eine Folie umgeben, gewissermaßen die Begleitung zur unterdessen schon unabhängig davon erklungenen Melodie bildend.  Der Menschenstamm tritt uns, fossil sichtbar, spät erst in der Diluvialzeit entgegen, wohl weil er zuvor in Gegenden lebte, die der geologischen Erforschung unzugänglich geblieben sind.  Wenn irgendwo, so hat uns gerade hier der vielberufene Zufall des Findens und die notorische Lückenhaftigkeit des Fossilmaterials einen Streich gespielt.  Gewöhnt man aber erst den Geist an die Unterscheidung von fest gegebenen Grundtypen einerseits und biologischem Gewand andererseits, das ihnen zeitweise und wechselnd übergeworfen ist, dann ist auch die Bahn frei für eine richtigere Beurteilung der wahren Herkunft des Menschen selbst und für die Feststellung, wie alt wohl sein Stamm ist.



Das ergeschichtliche Alter des Menschenstammes

Fossile Menschenreste, seien es Skeletteile oder nur Artefakte, sind, wie schon erwähnt, bisher mit Sicherheit nur in den Ablagerungen der Quartärzeit, dem letzten kurzen Abschnitt der Erdgeschichte, nachgewiesen.  Die letzte Phase dieser Quartärperiode ist die Zeit der historischen Menschengeschichte, zurück bis zur jüngeren Steinzeit.  Diese selbst ist eine prähistorische Epoche, aus der man geschliffene und polierte, also gut ausgearbeitete Steinwerkzeuge hat.  Dieser Periode voraus geht das Diluvium mit einer Eiszeit als Hauptabschnitt der Quartärepoche.  Damals waren größere Flächen der Nordhalbkugel und die meisten Hochgebirge bis in ihr Vorland hinaus vergletschert; die durchschnittliche Jahrestemperatur war vermutlich nur um 5° C kühler als jetzt.  Diese Diluvialzeit mit ihren wärmeren Zwischeneiszeiten ist nun die Periode der altsteinzeitlichen Kulturen und fossiler Menschenrassen.  Kurz zuvor sollte sich, nach der gangbaren Lehre, der Mensch aus spättertiärzeitlichen affenartigen Säugetieren entwickelt haben; der Steinzeitmensch soll diesen Urformen noch näher stehen.

Es wurde schon von anderer Seite die Frage aufgerollt (2), ob nicht die Dauer der Steinzeitperiode bedeutend  überschätzt werde und ob die Entstehung der Kultur überhaupt erst mit dem Steinzeitalter eingesetzt habe?  Ist es möglich und denkbar, sagt Frobenius, daß die aufkeimende Kultur bei einer Verbindung mit dem Stein, also dem toten Teil des Erdkörpers begonnen hat?  Liegt es nicht viel näher, anzunehmen, daß das "Ur", der Anbeginn mit einer Wechselbeziehung des menschlichen Könnens zu der lebendigen Umwelt, zu Pflanze und Tier anhub?  Und sollte es keine Möglichkeit geben, das Umgekehrte der landläufigen Auffassung aus dem Phänomen der Kultur abzulesen?
Freilich meint es Frobenius anders als wir; denn er hat noch nicht die hier erstrebte weite erdgeschichtliche Zeitperspektive.  Er deutet nur allgemein an, daß die ältesten Werkzeuge nicht aus Stein, sondern eher aus tierischem und pflanzlichen Material erarbeitet worden sein könnten und daß daher die Steinzeit, auch die Altsteinzeit, ein verhältnismäßig spätes Entwicklungsstadium des "Urmenschen" gewesen wäre; denn zuerst und unmittelbar lebe der Mensch in dem feinen Schleier von Wasser, Erde, Pflanze und Tier, der, umspült vom Luftmeer und dünn, den harten Steinkörper der Erde umgibt.  Diesem harten Körper stehe jener Schleier, zu dem der Mensch selbst gehört, als Einheit gegenüber, ausgesetzt dem Einfluß der Gestirne und von ihren Kräften bewegt.  Wir Menschen sind, als Körper betrachtet, Ausdrucksform der Umbildungen dieses Schleiers; die Kultur aber ist der Ausdruck des in diesem Schleier bei seiner Beziehung zu einem "Jenseits" symbolisch sich auswirkenden Lebens.  Demnach, so meint wohl Frobenius, hat die älteste, die erste Kulturregung zu ihrer Gestaltung unwillkürlich nach den Elementen und Teilen des Schleiers selbst gegriffen, nicht nach dem Material der nackten, vom Schleier entblößten Steinkugel.  So erwartet er noch die Aufdeckung einer viel älteren vorsteinzeitlichen Kultur, und die müßte vor der Quartärepoche, also in der Tertiärzeit liegen.

Bisher haben es nur wenige Naturforscher gewagt, das Alter des kulturfähigen Menschenwesens in tertiäre, ja in vortertiäre Zeiten zurückzudatieren; so vor allem Hermann Klaatsch.  Seine eingehende und frei ausblickende anatomische Analyse des menschlichen Körpers hat ihn schließlich ein weit höheres erdgeschichtliches Alter des Menschen fordern lassen, als man es bis dahin, befangen im Schematismus der älteren Abstammungslehre, den Mut hatte anzunehmen.  Noch in einer letzten Arbeit (3) zu dieser Frage sagt der verstorbene Anatom Schwalbe, Klaatschs Widerpart, daß nach den ihm bekannten Tatsachen der Mensch vom Charakter des javanischen Pithecanthropus und des Homo Heidelbergensis (Fig. 6g) erst in der allerletzten Phase der Tertiärzeit entstanden sein könne.


Fig. 6 (Bildquelle/-text: "Urwelt, Sage und Menschheit" von Edgar Dacqué, 8. Aufl. 1938, R. Oldenbourg)
Unterkiefer von Affen und Menschen des känozoischen Zeitalters.
a) Propiopitheus. Älteste Affenform aus der Frühtertiärzeit (Oligozän). Ägypten. Eckzahnspitze abgebrochen. Angebliche Ahnenform aller Affen- und Menschenarten. 2/3 nat. Gr.
b) Piopithecus. Gibbon-ähnliche Form. Jüngere Tertiärzeit (Miozän). Deutschland. 2/3 nat. Gr.
c) Sivapithecus. Gorilla-ähnliche Form. Ende der Tertiärzeit (Pliozän). Indien. Stark verkl.
d) Dryopithecus. Schimpansen-ähnliche Form. Ende der Tertiärzeit (Pliozän). Süddeutschland. 1/3 nat. Gr.
e) Eoanthropus. Vermutlicher Menschenkiefer mit Affenmerkmalen. Jüngste Tertiärzeit (Pliozän). England. Der Eckzahn ist isoliert zugleich gefunden und hinkombiniert. 1/3 nat. Gr.
f) Orang Utan. Lebend. Jetztzeit. Indischer Archipel. 1/2 nat. Gr.
g) Homo Heidelbergensis. Diluvialzeit Eiszeitmensch. Mauer bei Heidelberg. Kieferform affenartig, Zähne menschenartig. 1/3 nat. Gr.
h) Homo sapiens. Lebend. Man beachte das vortretende Kinn, worin der Diluvialmensch affenähnlicher ist. 1/3 nat. Gr.
(Zusammengestellt aus W. K. Gregory, Journ. Dental. Research. 1920/21.)



Forscht man nun aber in Schwalbes eigenen Darstellungen nach, welche Glieder vergleichend anatomisch den Menschen mit niederen Formen, also insbesondere mit den Affen nachweislich verbinden, so bekommt man zusammenfassend die Antwort, daß zwar an der allgemeinen tierischen Abstammung des Menschen nicht zu zweifeln, die spezielle Abstammung von bestimmten Primatenaffen aber noch nicht gesichert sei.  Am wahrscheinlichsten sei die Abstammung des Menschen von Formen mit einer Mischung der Charaktere niederer Ostaffen und Menschenaffen.  Diese Formen sind nun hypothetisch.  Von ihnen gehe der Weg zu einer ausgestorbenen - auch wieder hypothetischen - Menschenaffenform, aus der die zum Schimpansen aufsteigende "Linie", also noch nicht dieser selbst, sondern seine hypothetischen Vorläufer sich entwickelten.  "Aus dieser Linie hat sich dann vermutlich der Stamm der zum Menschen führenden Hominiden abgezweigt."

Wie kann man angesichts eines so lustigen, doch nur aus imaginären Formen zusammengesetzten Stammbaumes, der also das ganze Ergebnis vieljähriger, streng an die vergleichende Anatomie gebundener Forschung ist, noch behaupten, daß wir über die Entstehung des Menschen aus Primaten im Klaren seien und daß andere, doch auch mit sehr gewichtigen Beweisstücken arbeitende Theorien über ein wesentlich höheres Alter des Menschenstammes und über seine ursprüngliche Selbständigkeit gegenüber allen bisher bekannt gewordenen vorweltlichen und jetztweltlichen Säugetierformen keine Berechtigung haben sollten?

Noch können wir nach Klaatsch (4) die Zeit der Menschenwerdung in keiner Weise festlegen, wohl aber die Tatsache festhalten, daß dieser Vorgang keinesfalls jüngeren geologischen Datums ist.  Früher wollte man die ganze Entwicklung des Menschen bzw. der Menschenaffen aus niederen Säugetieren in die Diluvialzeit oder in die unmittelbar ihr vorausgehende letzte Phase der Tertiärzeit verlegen.  Schon der Nachweis, daß die hypostasierte Entwicklungsbahn Affe-Mensch wohl teilweise umgekehrt verlief (5), ferner die Erkenntnis, daß schon der Steinzeitmensch in mehrere deutlich getrennte ältere Rassen zerfiel; drittens die entwicklungsgeschichtliche Tatsache, daß alle Typen weit in die Erdgeschichte zurückreichen; endlich die Erkenntnis, daß Stammbäume sich nicht in dem äußerlichen Sinn entwerfen lassen, wie es das Zeitalter der Deszendenztheorie in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts glaubte - das alles hat den Boden bereitet für die Erwartung einer sehr alten und noch durchaus unaufgehellten Herkunft des Menschengeschlechtes.  Mit Klaatsch sehen wir heute dieses Problem so an: Der Tertiärmensch bedarf nicht mehr des Beweises, einerlei, ob wir Artefakte von ihm haben und Skelettfunde oder nicht; es kann sich nur noch um die Frage handeln, in welcher Phase der Tertiärzeit die Trennung der Menschenaffen vom Menschen einsetzte und wie alt der gemeinsame Stamm beider ist, der nach Klaatschs wohlbegründeter Lehre unbedingt in das mesozoische Erdzeitalter zurückreicht.
Die uns aus der Tertiärzeit bekannten Affengattungen (Fig. 6) sind so spezialisiert, daß sie, auch nach den bisherigen Forschungsmaximen der Abstammungslehre, überhaupt nicht als Ahnen eines Diluvialmenschen in Betracht kommen.  Die als Ahnen sämtlicher Simiiden und Hominiden befürworteten (6) unzureichenden Schädelreste sind teils wegen ihrer Unvollständigkeit und dem Fehlen aller übrigen Skeletteile nicht auswertbar, teils sind es konvergente Formbildungen eigener Typenkreise.  Der an Größe zurücktretende Eckzahn unterscheidet den Menschen ohnedies von allen echten Affen, die wir kennen, oder läßt höchstens deren Ableitung aus ihm selber zu.  Doch ist die Eckzahnfrage in ein neues Stadium getreten, seit es durch Adolff wahrscheinlich gemacht wurde, daß Menschen- und Affeneckzahn gar keine homologen Bildungen sein müssen, daß sich vielleicht Verschiebungen im Gebiß schon beim frühesten Auseinandertreten beider Stammformen eingestellt haben, und daß der menschliche Eckzahn gegenüber dem der anthropoiden Affen so primitiv geblieben ist, daß deshalb eine Ableitung des Menschen von solchen Affen nicht angenommen werden kann.  Selbst wenn frühere Vorfahren des Menschen einmal größere Eckzähne besessen haben sollten, würden das ganz ursprüngliche, aber gewiß keine Affeneckzähne gewesen sein (6a).

Vollends die Halbaffen oder Lemuriden stehen durch ihre ganz andersartigen und primitiven Merkmale einer formalen hypothetischen Urform der Säugetiere näher als alle anderen tertiärzeitlichen Säuger.  Auch der quartärzeitliche Mensch hat mehrere solcher ganz primitiven Eigentümlichkeiten, welche ihn gleichfalls an hypothetische und sehr weit in die Erdgeschichte zurückzudatierende Vierfüßler anschließen.  So ein lückenloses vollständiges Gebiß, das nicht, wie das aller tertiärzeitlichen Säugetiere, auf eine Lückenbildung zwischen Vorder- und Backenzähnen hinläuft, sondern sich allenfalls nur bei uns Spätmenschen in einem Ausfall des letzten Backenzahns etwas verringert.  Es gleicht in seiner Vollständigkeit den ältesten tertiärzeitlichen Säugetierformen; aber an solche den Menschen anzuschließen, verbieten die Grundsätze der bisherigen Deszendenzlehre selbst, wonach voneinander durch einseitige Differenzierung schon unterschiedene Lebewesen nicht unmittelbar stammesgeschichtlich zusammenhängen können.  Auch in der fünffingerigen Extremität liegt ein sehr altes, nicht ein erdgeschichtlich jungzeitliches Merkmal, das keineswegs die Ableitung des Menschentypus aus irgend einem tertiärzeitlichen Säugetier zuläßt.  Zwar gibt es alttertiäre Säugetiere mit der primitiven fünffingerigen Extremität; aber sie, wie auch spätere Gattungen mit demselben Merkmal, sind so einseitig entwickelt (7), daß man die Herkunft der fünffingerigen Primatenextremität, insbesondere der vorderen, in viel ältere Zeiten zurückdatieren kann.  Sie ist in der beim Menschen vorhandenen Einfachheit schon paläozoischen Alters.  Zwar ist es ein Irrtum, die vollständig fünffingerige Extremität für den Urzustand des Landtieres anzusehen, wie man es bisher tat.  Neueste Funde und Untersuchungen fossiler Uramphibien aus der Permzeit haben ergeben, daß schon jene frühen amphibischen Landtiere eine reduzierte, nämlich eine vierzehige Vorderextremität hatten, während ihre Hinterextremität noch fünfzehig war.  Sind sie in dieser Hinsicht schon einseitig spezialisierte Formen gewesen, so stehen sie auch dem primitiven hypothetischen Landtier insofern schon ferner, als dieses wahrscheinlich zuerst siebenzehig war.  Nicht nur die Embryonaluntersuchung gewisser lebender Amphibien ergibt dies, sondern es erhellt auch aus Fossilfunden permzeitlicher alter Amphibienformen, deren noch fünfzehige Hinterextremität die Reste eines überzähligen, jedoch nicht pathologischen oder atavistischen, sondern noch als Normalrest vorhandenen Kleinfingers enthält (8).  Es war demnach die fünffingerige Landextremität schon gegen Ende der paläozoischen Zeit selbst ein Rückbildungsstadium aus einer noch älteren Form.  Wir können also festhalten, daß mindestens die fünffingerige Extremität ein Grundmerkmal aller zum erstenmal völlig dem Leben auf dem Festland zugewandten, wenn auch habituell noch amphibisch aussehenden Wesen war; daß mithin die fünffingerige Landextremität mindestens ein Erbe aus der Steinkohlenzeit ist.  Und so kann der Mensch mit allen gleichfalls fünffingerigen Säugetieren bis in jene alte Epoche zurückreichen, weil alle bis dorthin fossil bekannt gewordenen Vierfüßler in ihren Extremitäten oder im übrigen Körper schon viel zu einseitig entwickelt sind, als daß die Ableitung des menschlichen Körpers aus ihnen gelänge.

Die Frage, ob und wie die Hand des Menschen aus einem allenfalls anzunehmenden Urextremitätenstadium hervorgegangen sein könnte, ist weder vergleichend anatomisch noch durch Fossilfunde zu beantworten.  Auch Klaatsch hat sich mit dieser Grenzfeststellung unseres vergleichend anatomischen Wissens begnügt und sagt nur, daß für die Betrachtung der Herkunft des Menschen die Feststellung vorerst ausreicht, daß er die Hand mit der fünffingerigen Form der alten Landwirbeltiere, also nicht erst mit jener der tertiärzeitlichen Säugetiere teilt.  Auch dürfte nun klar sein, sagt Klaatsch, daß die früher vielfach übliche Einschätzung des Menschen als des letzten Endgliedes einer angeblich mühsamen Entwicklung nicht zutrifft.  Er ist nicht als letztes Ergebnis einer sehr komplizierten Umgestaltung aufzufassen.  Es fehlte früher nicht an solchen Vermutungen, als man glaubte, daß der Mensch von vierfüßigen Tieren abstammen könne.  Aber ein Vierfüßlertum besagt, daß die Gliedmaßen des betreffenden Wesens zu Füßen gestaltet sind, d. h. außer Stützen und Laufen andere Leistungen nicht verrichten können.  Der Mensch aber habe das alte vielseitige und daher unendlich wertvolle Werkzeug beibehalten.  "Daß der Mensch indifferent blieb, sich seine Vielseitigkeit bewahrte - darin liegt eben ein großer Teil des Geheimnisses seines außerordentlichen Erfolges.  Das ist eine ganz andere Auslegung des Entwicklungsganges als die im alten Darwinschen Sinne.  Nicht ein Triumph des Kampfes ums Dasein ist der Mensch; nein, im Gegenteil: sein Sieg beruht darin, daß er von den Opfern der natürlichen Zuchtwahl verschont blieb, daß er seine Hand behielt.  Wenn man nach Wundern suchen will, so braucht man nicht ins Reich des Übernatürlichen zu flüchten.  Die Natur selbst, unser eigenes Wesen, bietet der Wunder genug.  Nach den Regeln der Wahrscheinlichkeitsordnung ist jedenfalls die Ausnahmestellung des Menschen gegenüber dem ganzen anderen Tierreich eine sehr sonderbare.  Nicht der Besitz der Hand als solcher ist es - er war ja allen Tieren einstmals eigen - sondern der Umstand, daß dieses Gebilde in seiner Ursprünglichkeit beibehalten wurde und daß es sich in den Dienst einer gewaltigen Gehirnentfaltung stellen konnte - das ist das Merkwürdige."

Der Mensch kann auch deshalb mindestens mesozoischen, ja paläozoischen Alters sein, weil er ein Sohlengänger ist.  Die ältesten, hypothetischen und die aus ihnen formal allenfalls ableitbaren tertiärzeitlichen Säugetiertypen sind vollkommene Sohlengänger oder weisen wenigstens als Abkömmlinge auf Formen mit Sohlengängerfuß eindeutig hin.  Der Mensch selbst kann wiederum nicht von solchen Gattungen abstammen, sondern hatte bestenfalls in sehr früher, dem paläozoischen Ursprungspunkt der Säugetiere recht nahen Zeit einen dort schon zu suchenden Ahnen mit ihnen.  Somit hat er mindestens seit dem Altmesozoikum auf eigener Entwicklungsbahn den Sohlengänger in sich bewahrt, was nicht hindert, daß seine große Zehe am Fuß zuerst opponierbar war, der Fuß also auch Greifhandcharakter besaß.  Er war somit auch in mesozoischer Zeit schon ein von den späteren tertiärzeitlichen Stämmen getrennter eigener Säugetierstamm, mithin als Menschentypus vorhanden, wenn auch in anderer Form als zur Steinzeit.
Klaatsch hat seinerzeit auch gewisse Landtierfährten im mitteldeutschen Sandstein aus frühmesozoischer Zeit zu einem Analogiebeweis für das hohe Alter des Menschentypus herangezogen und ich folgte ihm ursprünglich darin.  Sie gehören sehr alten Landtieren an, die man nur aus diesen Spuren, nicht nach Skelettresten kennt (Fig. 7).


Fig. 7 (Bildquelle/-text: "Urwelt, Sage und Menschheit" von Edgar Dacqué, 8. Aufl. 1938, R. Oldenbourg)
Fährten eines Reptils (Chirotherium) aus dem altmesozoischen Thüringer Buntsandstein.  Scheinbar mit Daumen.  Die Hinterextremität größer,
die Vorderextremität kleiner.  1/6 nat. Gr. (Nach R. Owen aus Zittel-Broili, Grundzüge der Paläontologie II. 1923.)



Sie fallen auf durch ihre große Ähnlichkeit mit Menschenhänden, wenn sie auch solchen gewiß nicht zugehörten.  Die älteren, aus der Permzeit, zeichnen sich dadurch aus, daß die gegenseitigen Größenverhältnisse der vorderen und hinteren Extremitäten sich noch mehr angleichen als die der etwas jüngeren aus der Triaszeit, wo die hinteren Extremitäten die vorderen an Größe wesentlich übertreffen.  Aus der Form der Abdrücke kann man den Schluß ziehen, daß das zugehörige "Handtier" (Chirotherium), wenn auch nicht ganz aufrecht, so doch zuerst weniger, später entschiedener auf der Hinterextremität lief.  Besonders die älteren Fährten seien deshalb bedeutungsvoll, weil gerade sie große Ähnlichkeit mit Kinderhänden haben.  Man kann sie, sagt Klaatsch, in der Tat nicht besser beschreiben als durch einen Vergleich mit solchen oder auch mit Embryonalzuständen der Menschenhand (Fig. 8), worin die Plumpheit und Derbheit der Kinderhand noch auffälliger erscheint.


Fig. 8 (Bildquelle/-text: "Urwelt, Sage und Menschheit" von Edgar Dacqué, 8. Aufl. 1938, R. Oldenbourg)
Embryonalhand des Menschen. (Aus Klaatsch, Abstammungslehre. 1911.)


Ein solches embryonales Merkmal der Menschenhand, wie es auch den Thüringer Fährten eignet, ist die wenig ausgedehnte Fläche zwischen dem Daumenballen und den übrigen Fingern, oder die außerordentlich breite Mittelhand oder die kurzen gedrungenen Finger.  Der Daumen an der Thüringer Spur ist mit einem dicken Ballen versehen und bekundet damit seine Opponierbarkeit.  Die Unterfläche der Finger zeigt oft die Gelenkvertiefungen, den Fingergliedern entsprechend.  Der vierte Finger war meistens am längsten.
Diese Auffassung ist nicht mehr haltbar, seitdem man durch neuere grundlegende Untersuchungen Soergels weiß (8a), was man auch früher teilweise schon gemutmaßt hatte, daß der "Daumen" an diesen Extremitäten gar kein Daumen ist, sondern an der entgegengesetzten Seite der "Hand" liegt, mithin eine sekundäre Erwerbung, eine "falsche" Zehe darstellt und so als Anpassungsbildung an das Aufrechtgehen zur Unterstützung der Sohle oder als Verbreiterung der Fußbasis zur besseren Verhütung des Einsinkens vielleicht gedeutet werden kann.  Dagegen sind diese Formen ein erneuter Beweis für das Herrschen einer Formbildung, die auch in anderen mesozoischen Typen mit der Tendenz zum Halbaufrechtgehen zusammentrifft und dabei eine gewisse Spreizbarkeit eines Zehengliedes hervorbringt.
Überhaupt finden wir bei den Landtieren des mesozoischen Zeitalters, wie früher schon erwähnt, die Anlage zum aufrechten Gang auf den Hinterbeinen und dies oft in einer so volkommenen Weise, daß es geradezu als Zeitmerkmal angesprochen werden darf.  Damit verknüpft ist merkwürdigerweise gelegentlich der opponierbare Daumen, der auch der Verteidigung gedient haben soll.  Zeigten uns dies schon in der schönsten Art die Sandsteinfährten, so haben wir auch ganze Skelette verschiedenster Reptilgruppen der mesozoischen Epoche, besonders der Kreidezeit und der oberen Jurazeit, welche jenes Kennzeichen ganz vollkommen entwickelt haben.  So etwa die aufrechten Iguanodonten der belgischen Unterkreideformation.  Es waren das bis 5 m hohe landbewohnende Pflanzenfresser, habituell sehr ähnlich anderen, z. B. nordamerikanischen und afrikanischen Landsauriern mit Raubtier- wie mit Pflanzenfressercharakter, sehr großer und kleiner Dimension.  Sie zeigen, wie schon erwähnt, den aufrechten Gang, haben aber nur eine dreizehige oder höchstens vierzehige Extremität, an der das fünfte Glied allenfalls noch als Rudiment hängt.  Dagegen hatten gerade nicht die jüngeren, sondern die erdgeschichtlich ältesten Landtiere des paläozoischen Zeitalters entschiedene Anlage zu einer opponierbaren ersten Zehe, unserem menschlichen Daumen entsprechend.  Und dies ist umsomehr ein Beweis für die Altertümlichkeit des Menschentypus, als die erdgeschichtlich jüngeren, alttertiärzeitlichen Säugetiere zwar vielfach noch vollkommen fünffingerige Extremitäten besaßen, aber dabei keinen opponierbaren Daumen hatten und außerdem auch zu Gruppen gehörten, deren spezifische Ausbildung sie gewiß für keinen Forscher zu einem stammesgeschichtlichen Anknüpfungspunkt gerade des Menschen oder menschenähnlicher Primaten werden läßt.  So geht also die Menschenhand in ihrer Grundlage mindestens auf älteste Landtierformen zurück, wenn wir auch den Menschen nicht aus jenen Altformen stammesgeschichtlich herleiten möchten.  Denn der Mensch ist vergleichend anatomisch zunächst ein Säugetier, kein Reptil, und ist grundsätzlich typenhaft ein Vierhänder, kann also auch nicht von Vierfüßlern "abstammen".  Sie zeigen uns aber immerhin, in welcher Epoche uralter Formbildung seine Extremitäten ideell wurzeln.
Ebenso weisen die im vorigen Abschnitt beschriebenen Landreptilien des Erdmittelalters mit ihrem aufrechten Gang und ihrer einfach gestreckten Hinterextremität, deren Länge nicht wie bei spätzeitlichen Säugetieren erst sekundär durch Aufrichtung des Fußes (9) bewirkt ist, auf eine mesozoische Zeitsignatur hin, und wir finden den Menschen auch mit diesem Merkmal ausgestattet.  Auch dies deutet vergleichsweise auf sein hohes erdgeschichtliches Alter hin. 

Im Spätpaläozoikum, in der Permzeit sich andeutend, besonders aber in der Triaszeit klar hervortretend, stoßen wir auf eine Erscheinung, die uns offenbart, wann der Säugetiertypus als Zeitsignatur erwachte und sich vollendete.  Da gibt es auf einem großen, später untergegangenen Südkontinent, sowie teilweise in Nordamerika, etwas später auch in Rußland erscheinend, eine Reptilgruppe, die Theromorphen, denen auffallenderweise in vielen ihrer Geschlechter Organe und ein allgemeiner Habitus von Säugetiercharakter zuteil wird.  Unter ihnen treten sogar Formen auf mit säugetierartigem Raubtier- und Pflanzenfressergebiß, wie sie echte tertiär- und jetztzeitliche Säugetiere haben (Fig. 9); aber ihrem inneren Bau und Wesen nach sind diese scheinbaren Säugetiermerkmale eben doch reptilhaft gewesen.


Fig. 9 (Bildquelle/-text: "Urwelt, Sage und Menschheit" von Edgar Dacqué, 8. Aufl. 1938, R. Oldenbourg)
Schädel eines Reptils der Triaszeit, mit Säugetiermerkmalen und Säugetiergebiß.  Südafrika.
(Aus W.K. Gregory.  Journ. Dental. Research. 1920.) Nat. Gr.


Auch das Skelett bleibt in entscheidenden Zügen das unverkennbare Reptilskelett, wenn die äußere Gestaltung und Formung oft aufs stärkste an das Säugetier erinnert.  Unter dem Einfluß der formalistischen Deszendenzlehre hat man immer und immer wieder versucht, jene Gestalten als die leibhaftigen Ahnen der späteren Säugetiere anzusprechen; doch ist das jedesmal mißglückt.  Wir haben eben hier wieder die einander formal überschneidenden Formenkreise nach dem gegebenen Schema (Fig. 2B).  In der Permzeit ist der Augenblick eingetreten, wo das Säugetierhafte gewissermaßen in der Luft liegt, wo es beginnt, Zeitsignatur zu werden, so daß eben auch ein großer Teil der Reptilien jenes Zeitalters den Säugetierhabitus annimmt, ohne je Säugetier gewesen zu sein oder stammesgeschichtlich überhaupt in jene Bahn einzulenken.  Wenn man unter dieser Zeitgesellschaft, wie zu erwarten, einmal echte einwandfreie Säugetierahnen und damit also Säugetiere selbst finden sollte, so werden sie einigen theromorphen Reptilien ebenso ähnlich sein, wie etwa die tertiärzeitlichen Affen dem Menschen: man hat es dann auch wieder mit formalen Überschneidungen der festen Typenkreise zu tun, deren Deckungsflächen eine natürliche Familie vortäuschen und Arten liefern, die wie Stammarten oder Urformen der übrigen, sich formal anschließenden Gattungen, sowohl der Reptilien wie der Säugetiere, aussehen werden und es doch nicht sind.

Hiermit ist der Zeitpunkt ermittelt, in dem mindestens das früheste Säugetierwerden vor sich ging.  Dort muß der Menschenstamm mit seiner Säugetiernatur und seiner fünffingerigen, sohlengängerigen Extremität mindestens wurzeln - als säugetierhafter Menschenstamm nämlich, unterscheidbar von anderen, gleichzeitig mit ihm erscheinenden Typen.  Niemals aber können Reptilien Säugetiere geworden sein.  Ihr Skelettbau und andere Merkmale, wie das Fehlen der Hautdrüsen, läßt das nicht möglich erscheinen.  Wir müssen, wenn wir überhaupt Stammbaumversuche machen wollen, dem permischen hypothetischen Säugetiertypus amphibische Merkmale beilegen, nicht weil er etwa aus echten Altamphibien hervorgegangen wäre, sondern weil damals die amphibische Gestalt und Lebensweise eine Zeitsignatur war, dementsprechend das Ursäugetier jenes Gewand trug.  Da nun die ältesten Säugetiere, die wir nach Zahnfunden aus der Triaszeit kennen, schon einseitig als Beuteltiere spezialisiert sind, so daß sie sich schon frühzeitig vom übrigen Säugetier- und Menschenstamm getrennt haben mußten; da ferner das Reptil nicht in die Stammbahn gehört haben kann, so muß der säugetierhafte Menschenstamm in der Permzeit amphibienhafte äußere Merkmale gehabt haben, aber schon damals als solcher selbständig aufgetreten sein.
Ganz folgegerecht ist also der Schluß, zu dem schon Klaatsch in Würdigung der menschlichen Anatomie gelangte, ohne sich indessen der ganzen ungeheuren Tragweite seiner Entdeckung bewußt geworden zu sein, wenn er sagt: "Die ältesten Stadien der menschlichen Vorgeschichte werden daher mit denjenigen der Urgeschichte der Landwirbeltiere identisch sein."  Diese Urgeschichte aber liegt schon im paläozoischen Zeitalter.

Der einzige Paläontologe, welcher die nächstliegende Folgerung aus den neueren stammesgeschichtlichen und vergleichend anatomischen Erkenntnissen auch für den Menschenstamm gezogen hat, wenngleich in noch wenig gegenständlicher Umreißung, ist Steinmann gewesen (10).  Bei der Langsamkeit der Entwicklung aller Tierstämme, sagt er, dürfe man erwarten, daß sich auch die Menschwerdung im Stamm der Anthropotherien außerordentlich langsam vollzogen habe.  Weil Skelettreste und Werkzeuge des Menschen erst aus der Diluvialzeit bekannt geworden seien, halte man den Menschen als solchen erst für ein Erzeugnis dieses letzten erdgeschichtlichen Abschnittes.  Wahrscheinlicher sei es, daß der Mensch, ebenso wie die ihn zur Diluvialzeit begleitenden Tiere: Pferd, Elefant, Nashorn, Nilpferd, Hirsch usw. schon zur Tertiärzeit existierte, wenn auch in einem etwas anderen, stammesgeschichtlich altertümlichen Gewand.  Wie man am Anfang der Stammbahnen nie die von der älteren Deszendenzlehre erwarteten generalisierten Grundformen gefunden habe, aus denen man nachfolgende Spezialtypen ableiten könne, so kenne man aus dem ältesten Abschnitt der Tertiärzeit nicht weniger als 25 Gattungen des Primatentypus, von denen keine die Forderungen erfülle, die sie in anatomischer Hinsicht zu einem stammesgeschichtlichen Bindeglied zwischen Mensch und niederen Primaten machte.  Offenbar haben also beide Typen schon am Anfang der Tertiärzeit eine lange selbständige Geschichte hinter sich, so daß man dem Schluß nicht mehr ausweichen könne, daß die ganze Sippe in mehreren getrennten Linien in das mesozoische Zeitalter zurückreiche.

Klaatsch und Steinmann haben mit ihren Ideen und Schlußfolgerungen etwas in der Hand gehabt, dessen ganze Tragweite sie noch nicht erfaßten.  Vielleicht hat es Klaatsch, viel angefeindet und als Phantast verschrien, stärker geahnt, doch drang es bei ihm jedenfalls nicht mehr zum vollen Bewußtsein durch.  Keiner von beiden hat es sich klar gemacht und es als unerbittliche Konsequenz seiner Beweisführung angesehen, daß er methodisch und im Resultat die ganze menschliche und tierische Abstammungslehre, wie sie stereotyp seit sechzig Jahren (Anm. der WFG: Heute, seit 140 Jahren) ohne irgend einen wesentlich neuen, vertiefenden Gesichtspunkt vertreten ward, völlig umgestürzt und die Typentheorie und somit auch die Erkenntnis der Selbständigkeit des Menschenstammes bis in älteste Zeiten des Landtierwerdens an deren Stelle gesetzt hat.

Die Forschung ist dabei nicht stehengeblieben.  Seit der ersten Herausgabe dieser Blätter haben sich durch Untersuchung innerer und äußerer Organe noch andere bedeutsame Hinweise auf ein sehr hohes Alter des Menschengeschlechtes und auf gewisse Vorfahrenstadien ergeben (10a).  Die Kinnbildung bzw. Kieferbildung stellt einen Zustand dar, der unmittelbar auf die uralte Einwärtsneigung der Zähne bei Haifischen und gewissen Reptilien folgt, also an den frühesten Beginn der Säugetierzeit und teilweise sogar noch an ein Vorsäugetierstadium erinnert.  Man könnte, sagt Westenhöfer, den Versuch machen, einem Unbefangenen eine Reihe verschiedener Unterkiefer zu übergeben, damit er den menschlichen an die Stelle setze, wo er nach seiner ganzen Entwicklung vergleichsweise hingehört; er würde ihn jedenfalls vor jedes Säugetier stellen.  Das aber heißt nichts anderes, als daß auch in der Zahnstellung und Kieferbildung alle Säugetiere so spezialisiert sind, daß der Mensch auch hierin ihr Ahnenstadium, nicht ihr Nachkommenstadium ist.
Demselben Forscher verdanken wir die Erkenntnis, daß wir im Kindheitszustand, sowie ein nicht geringer Prozentsatz Erwachsener, mit dem trichterförmigen Wurmfortsatz des Blinddarmes, mit einer gelappten statt einer geschlossenen Niere und einer mehrfach gekerbten Milz auf einer stammesgeschichtlich tieferen Entwicklungsstufe stehengeblieben sind.  Dieser dreifache "Progonismus" deutet merkwürdigerweise auf Wassertierstadien hin, indem jene Formbildungen der Niere und Milz nur von wasserangepaßten Säugern erreicht oder übertroffen werden.  Und so ist die Möglichkeit nicht von der Hand zu weisen, daß in der spezifisch menschlichen Vorfahrenreihe eine aquatile Form vorhanden war.  Westenhöfer meint, daß diese Mischung von progonischen und nichtprogonischen Menschen dadurch zustande gekommen sei, daß sie sich vielleicht aus zwei Stämmen mischten, von denen der eine schon etwas weiter fortgeschritten, der andere etwas zurückgeblieben war; dieser würde dem Menschenaffenvorfahren nähergestanden haben, jener schon jetztweltmenschlicher gewesen sein; beider Wurzeln lägen aber weit zurück in erdgeschichtlicher Vergangenheit.

Wie man sieht, mehren sich die Hinweise auf die Altertümlichkeit und Primitivität des Menschen.  Nur in der Gehirnentwicklung und damit im vollendeten Bau des Gesichtsschädels ist der Mensch allen voraus, die Affen aber sind schon vor diesem vollendeten Stadium seitlich abgewichen und haben sich degenerativ spezialisiert.  Und Westenhöfer sagt treffend, daß alle diese Tatsachen doch wohl nichts anderes bedeuten können, als daß der Säugetierstamm insgesamt den Weg zum Großhirn eingeschlagen hatte, daß diese Entwicklung aber in umso stärkerem Maße gehemmt wurde, je mehr sich das Gebiß neigte, d. h. je stärker und mächtiger es zugleich wurde.  In unsere Ausdrucksweise übersetzt, bedeutet dies aber: die Säugetiere sind auf dem Entwicklungsweg des Menschenstammes zurückgeblieben und von der Abzweigungsstelle aus dann einseitig spezialisierte Ableger des gemeinsamen und durchlaufenden Urstammes geworden, der zu allen Zeiten eben der "Menschenstamm" selber war.
Doch wie dem auch sei, muß der uralte Stamm des Menschentypus - darüber kann es ja paläontologisch kaum eine grundsätzliche Meinungsverschiedenheit geben - in vergangenen Erdperioden ein anderes Aussehen gehabt haben, ob er nun aus irgend welchen Tierformen genetisch hervorbrach oder ob er von ältester Landtierzeit her selbständig seine Bahn verfolgte; er hat zweifellos seine Evolution gehabt und manche Mutationen hervorgebracht. 
Aber welche?  Wir erinnern uns jetzt noch einmal des oben dargelegten Gesetzes, wonach in bestimmten Zeitepochen bestimmte Gestaltungen und Organe bei den verschiedensten Typen zum Vorschein kommen.  Hat aber, so sagten wir, eine Tiergruppe oder eine einzelne Gattung in späterer Zeit noch einen für eine frühere Zeit festgestellten zeitcharakteristischen Formzustand voll entwickelt oder rudimentär an sich, so erkennt man daran ihr geologisches Mindestalter, auch ohne daß man aus früheren Zeiten ihres Daseins fossile Dokumente von ihr hätte.  Wenn also der Menschenstamm - das Wort meinetwegen in jedem beliebigen stammesgeschichtlichen Sinn gebraucht - noch in das paläozoische und mesozoische Zeitalter zurückgeht, so muß er eben solche Formeneigentümlichkeiten damals gehabt haben und jetzt noch voll entwickelt oder rudimentär an sich tragen; also z. B. den opponierbaren Daumen oder den aufgerichteten Gang auf primär, nicht sekundär verlängerten bzw. aufgerichteten Hinterbeinen.  Und das hat er.  Er hat aber auch in seiner Extremität den primitiven Formzustand des Landtieres, wenn auch etwas abgeändert, bewahrt, und der ist mindestens jungpaläozoischer Herkunft.

Mit dieser Erkenntnis dürfen wir jetzt nach dem Gesetz der Zeitcharaktere den Menschenstamm bis in das paläozoische Erdzeitalter zurückführen und für seine Evolution folgende Stadien annehmen: Zuerst muß er amphibische und reptilhaft scheinende Merkmale besessen haben.  Er hatte vielleicht, wie die Amphibien, den schleppenden Gang und schwimmhautartig verwachsene Finger und Zehen, auch wohl noch keinen entschieden opponierbaren Daumen.  Mit dem ältesten Amphibien und Reptilien hatte er vielleicht einen teilweise hornig gepanzerten Körper gemein, ein Merkmal, das überhaupt in der Erdzeit der paläozoischen Epoche als Zeitcharakteristikum insofern gelten kann, als auch die Amphibien mit ihrem an und für sich schleimigen, drüsenbesetzten Hautmantel zu solcher Panzerbildung, oft an Kehle und Brust, auch auf dem Rücken, bis zur Stärke von Hautknochenplatten sich steigernd, übergehen.  Mit beiden Gruppen aber hatte der hypothetische Urmensch wohl ein vollentwickeltes Parietalorgan, d. i. eine auf der Schädeldecke vollentwickelte augenartige Öffnung, die jenen ältesten Landbewohnern durchweg gemeinsam war und als ein bestimmtes, bisher nicht deutbares, wenn auch sicher augenförmig ausgebildetes Sinnesorgan gelten darf.  Der Urmensch war wohl von jeher ein Säugetier.  Diese Säugetiernatur war aber habituell durch die soeben aufgezählten Merkmale verhüllt.  Nach der vorhin erwähnten Tatsache, daß im Spätpaläozoikum sich sogar unter den Reptilien deutliche Säugetiercharaktere bemerkbar machen, obwohl ein Reptil niemals ein Säugetier gewesen sein kann, ist anzunehmen, daß damals der Säugetierstamm als solcher entstand, aber unter dem äußeren Gewand der Reptilhaftigkeit; ebenso der Mensch als landtierartiges Wesen.
Im mesozoischen Zeitalter wird der Urmensch - er wird in vielen Stämmen und Einzelformen verschiedener Gattung gelebt haben - im allgemeinen sein Scheitelorgan durch Rückbildung langsam verloren und nun seine Säugetiernatur deutlicher enthüllt haben.  In der Triaszeit finden wir die ersten als solche erkennbaren und in diesem Sinne echten Säugetierreste; sie gehören dem Stamm der Beuteltiere an, und nur solche findet man das ganze mesozoische Zeitalter hindurch in seltenen Resten.  Dies war die damalige Stufe des Säugetierwesens, eben als Zeitsignatur, und daher wird auch der äußerlich schon säugetierhafter aussehende Mensch die anatomischen Eigenschaften des Beuteltieres geteilt haben, wie er im paläozoischen Zeitalter die des Reptils und Amphibiums trug.  Im mesozoischen Zeitalter erkannten wir auch die Epoche, wo der aufrechte Gang der Landtiere angestrebt wurde; wir übertragen dies entsprechend auf den damaligen Menschenstamm.  Es war auch die Zeit, wo die verwachsenere ursprünglichere Extremität der vollendeteren mit den spreizbaren Fingern und dem opponierbaren Daumen Platz machte; so wird auch der Mensch in dieser Hinsicht uns ähnlicher geworden sein.  Das Säugetier hatte kein Scheitelorgan mehr; der mesozoische Mensch hatte es also mehr und mehr rückgebildet und dafür die vollere Entwicklung der Schädelkapsel, die vollere Entwicklung des Großhirns erreicht; er muß einen gewölbteren Schädel mit einer abgesetzten, weniger flachen Stirn bekommen haben.
Mit der Kreidezeit, wenigstens der letzten Hälfte der Kreidezeit, wo wir die letzte Herausentwicklung der mit der Alttertiärepoche fertig dastehenden fünffingerigen typischen Säugetierwelt schon jenseits des Beuteltierzustandes anzunehmen haben, wird dann auch der Säugetiermensch sich stark jenem Zustand genähert haben, der uns im Eiszeitmenschen fertig vor Augen tritt.  Indessen ist der Eiszeitmensch als degenerierter Abkömmling des Spättertiärmenschen sehr stark pithekoid gestaltet, weil damals, wie schon gezeigt, der affenschaffende Zeitcharakter herrschte.  Zuvor also muß der Mensch in seinen verschiedenen Spezialstämmen allerlei äußere Merkmale besessen haben, wie sie für die einzelnen Zeitstufen der Tertiärzeit gelten; so werden einzelnen seiner Stämme Fleischfresser- und Pflanzenfressermerkmale, ins Extrem entwickelt, teilweise nicht gefehlt haben.  Schließlich endete der Menschenstamm unter Ausstoßung aller nicht zum Spätzeittypus gehörenden tierischen Charaktere in unserem heutigen Menschenstadium, das gewiß nicht einheitlich, sondern auf vielen Stammlinien wird erreicht worden sein und das nur deshalb anatomisch so einheitlich erscheint, weil eben jetzt die Zeitsignatur unseres Menschenstadiums herrscht.  Dieses bevölkert heute die Erde, wie im paläozoischen Zeitalter wohl das scheiteläugige amphibienhafte, im mesozoischen Zeitalter das beuteltierhafte Menschenwesen.

Der Mensch und das Wirbeltier überhaupt, mit Einschuß auch der ältesten Fische, hat kaum etwas in seinem Organismus, was erlaubte, ihn mit dem ganzen Stamm der höheren Tiere an niedere Formen, also etwa Krebse oder Würmer anzureihen.  Ein kleines, jetzt lebendes Fischchen, Branchiostoma, äußerlich wurmförmig, aber vielleicht keine ursprüngliche, sondern eine durch Rückbildung scheinbar primitiv gewordene Gattung, von der man das Bild des Urahnen der Wirbeltiere abnehmen wollte, unterscheidet sich ebenso prinzipiell von allen Krebsen oder Würmern durch die grundlegend andersartige Achsenlage des Gesamtkörpers; es hat einen Rückenstrang, ein Rückenmark, während alle jene niederen Tiere ein Bauchmark als zentralen Nervenstrang haben.  Die Kluft scheint damit unüberbrückbar.  Aber doch gibt es wenigstens einen Anhaltspunkt, daß im menschlichen Organismus, wie in dem der späteren Wirbeltiere, eine Eigentümlichkeit übrig geblieben sein könnte, welche tatsächlich auf ein noch älteres Stadium als das des Uramphibiums oder des Fisches deutet und in die Welt jener niederen Tiere unmittelbar zurückweist.  Das merkwürdige Organ des Scheitelauges, das geradezu ein Symbol des Menschenwerdens sein kann, weist uns auch hier wie auf eine älteste Spur seiner Herkunft hinab.  Beim Menschen zeigt sich, wie schon betont, das uralte Organ in zwiefacher Reduktion.  Einmal ist die Zirbeldrüse selbst schon ein rückgebildetes Auge; sie hat aber noch einen seitlichen Begleiter, der den Eindruck einer noch weiter fortgeschrittenen Rückbildung macht und uns die Annahme nahelegt, daß ehedem das vollentwickelte Parietalorgan doppelt gewesen sein muß.  Da sich aber sein noch weniger rückgebildeter Teil vergleichend anatomisch als ein altes Auge erweist, so müßte das ehedem vollentwickelte Organ zwei unmittelbar nebeneinander stehende Augen dargestellt haben. 


Fig. 10 (Bildquelle/-text: "Urwelt, Sage und Menschheit" von Edgar Dacqué, 8. Aufl. 1938, R. Oldenbourg)
Krebsartiges Tier aus altpaläozoischer Zeit.  Nordamerika.  Mit zwei kleinen in der Mitte des Kopfes liegenden augenartigen Ozellen und großen,
 nach vorne gerückten, randständigen Normalaugen.  1/2 nat. Gr. (Aus J. M. Clarke und R. Ruedemann, Eurypterida of New York. 1912.)



Nun finden wir unter den alt- und mittelpaläozoischen Fischen und auch bei krebsartigen Tieren ein derartiges vollentwickeltes doppeltes Augenpaar, oben auf dem Schädeldach, obwohl daneben oder weiter seitlich oder vorwärts noch zwei richtige Normalaugen liegen (Fig. 10).  So läßt sich also hier vielleicht noch ein schwacher Strahl einer Zeitsignatur, nicht einer Abstammung, auffangen, die auch einmal bei des Menschenwesens frühesten körperlichen Anfängen vorhanden gewesen sein könnte.

Doch dort verliert sich der vergleichend anatomische Befund ins Ungewisse.  Aber innerhalb des übrigen Wirbeltierstammes selbst führen uns die Formbildungen des Menschen in der ganzen Reihe zurück bis zum Stadium des uramphibischen Formdaseins.  Und damit haben wir den Boden gewonnen für eine neue Altersbestimmung des Menschentypus, des Menschenstammes, und können nun Schlußfolgerungen ziehen, an die man bisher nur analogiehaft gerührt hat.  Wir dürfen erwarten, schon im Altmesozoikum, ja im Spätpaläozoikum den Menschenstamm als solchen zu finden. d. h. ein Wesen, das sich entelechisch durch seine Menschenhaftigkeit, also auch durch gewisse seelische und geistige Besitztümer von der übrigen Tierwelt unterschied.  Wenn dies aber in irgend einem Sinne zutrifft, so ist es auch möglich, daß uralte Menschheitszustände und Erlebnisse aus einer ganz anders gearteten natürlichen und seelischen Welt noch in späteren Mythen und Sagen durchklingen.

Prof. Dr. Edgar Dacqué



(Auszugquelle: Buch "Urwelt, Sage und Menschheit", 8. Aufl., 1938, R. Oldenbourg)




Textanmerkungen/Spezialnachweise:

(1) Über den von der bisherigen Deszendenztheorie in seinem Wesen falsch aufgefaßten Begriff des "Stammbaumes" siehe: Kurt Lewin: "Die Verwandtschaftsbegriffe in Biologie und Physik und die Darstellung vollständiger Stammbäume".  (In: Abhandlungen z. theoret. Biologie v. J. Schaxel, Heft 5. Berlin 1920.)  Ad. Raef, Idealistische Morphologie u. Phylogenetik. Jena  1919. 
Eine methodische Darstellung der Abstammungslehre auf historisch-kritischer Grundlage gibt S. Tschulok, Deszendenzlehre (Entwicklungslehre). Jena 1922.


2) L. Frobenius , Das unbekannte Afrika.  Aufhellung der Schicksale eines Erdteils. München 1923, S. 23, 26.
Auf den hypothetischen, unzugehauenen Steinwerkzeugen aus der belgischen Tertiärformation, den Eolithen, baute schon früher Rutot einen entsprechenden Gedanken auf.  Es sei anzunehmen, daß der Mensch ursprünglich nicht selbstgeschaffene, und seien es auch nur roh zugehauene Steinwerkzeuge benützt habe, sondern daß er schlechthin zu einem Gegenstand, also etwa zu einem geeigneten, von der Natur geformten Stein gegriffen habe.  Dieser Zustand seiner Primitivkultur habe gewiß länger gedauert als der spätere steinzeitliche, und Rutot verlegt ihn nach den Eolithenfunden in die Jungtertiärzeit (Miozän).  (M. Rutot, L 'etat actuel de la question de l 'antiquité de l 'homme.  Bulletin Soc. belge de Géologie, Paléontologie et Hydrologie, Bruxelles 1903. T. XVII. S. 425-438).  Allen derartigen Vorstellungen und Postulaten haftet aber der alte Fehler an, den auch die Abstammungslehre der Tiere und Pflanzen immer wieder macht, daß man nach einer formalen Primitivität sucht, die weder in der Natur, noch im Menschenleben als zeitlicher Urzustand bestanden hat und die, wenn irgendwo, dann ebenso gut auch später erst erscheinen kann und gar nicht der historische oder naturhistorische Ausgangspunkt für etwas unserem Auge oder unserem schematisierenden Abstraktionsvermögen kompliziert Erscheinendes zu sein braucht.


3) G. Schwalbe, Die Abstammung des Menschen und die ältesten Menschenformen.  In: Die Kultur der Gegenwart.  III. Teil, Anthropologie.  Leipzig u. Berlin 1923, S. 316 u. 336 (Vgl. Anm. 5)


4) H. Klaatsch, Werdegang der Menschheit. S. 17; S. 45ff.   Ferner: Die Stellung des Menschen im Naturganzen.  XII. Vortrag in dem Sammelwerk: "Die Abstammungslehre". Jena 1911.  S. 332ff.


5) Hier und im Text kann nicht der Beweis geführt werden, welche Theorie den Fossilfunden und sonstigen Tatsachen am angemessensten erscheint.  Es seien nur kurz einige von Klaatsch gewählte Argumente erwähnt, aus denen sich sein Urteil über die Stellung des Menschen zu den Primaten ergibt.  Für das Weitere muß auf die zitierten Arbeiten und auf die gegnerische Stellung besonders von Schwalbe, den wir nur als Hauptvertreter der ganzen Gegenrichtung nennen, verwiesen werden.
Vorausnehmend sei zum Argument der Hand bemerkt, daß Schwalbe wohl nicht das Entscheidende in Klaatschs Argumentierung trifft, wenn er sagt, Klaatsch habe bei seiner Auffassung der Menschenhand und ihrer Verwertung als Beweisstück für ein hohes erdgeschichtliches Alter des Menschenstammes in erster Linie ihre Ausbildung als Greif- und Kletterorgan im Auge gehabt, wie sie sich im ältesten Tertiärabschnitt (Eozän) bei Halbaffen und früher noch bei Beuteltieren finde; er vergesse, daß bei jenen ältesten Säugetierformen die Hand stets ein Lokomotionsorgan, also gewissermaßen ein Fuß sei.
Klaatsch hat nicht behauptet, daß die Menschenhand wirklich von diesen alten Formen herkomme, und daß diese Formen die Stammeltern des Menschen seien, sondern er sagt, worin ich ihm unbedingt zustimme, daß der Primatenstamm, insbesondere der mit Menschenhandcharakter, schon mindestens im ältesten Tertiärzeitalter neben jenen fünffingerigen Extremitätenträgern bestanden haben muß, eben weil seine Hand sich prinzipiell von jener Extremität unterscheidet und jene Formen ohnehin in anderen Richtungen schon ganz und gar spezialisierte Typen waren.  Da der Primatenstamm - so ist der Sinnzusammenhang in Klaatschs Beweisketten - aber nicht den Menschen entließ, sondern selbst eher der Abkömmling oder ein älterer, neben dem Menschenweg herlaufender Seitenzweig ist, so müsse auch aus diesem Grund der Mensch mindestens alttertiär, wenn nicht schon mesozoisch sein.  Aus welchen Wahrscheinlichkeitsgründen das letztere möglich erscheint, ist im Text teils mit Klaatschs, teils mit eigenen Argumenten ja ausführlich dargelegt.

Klaatsch Beweise für die Selbständigkeit des Menschen gegenüber dem Primatenstamm späterer Zeit, wie auch gegenüber den übrigen tertiärzeitlichen Säugetieren sind u. a. folgende:
1. Die Ursprünglichkeit der Menschenhand besteht in der formalen Annäherung an die fünffingerige Landextremität paläozoischer Amphibien.  In ihrer Embryonalentwicklung aber zeigt sie eine rundliche ruderblattartige Form, vergleichbar jener von noch älteren paläozoischen Fischen.  Ihre Flossenartigkeit wird noch besonders betont durch die Armabschnitte, die kurz sind und erst mit der Ausbildung zur eigentlichen Hand sich strecken.  Die Scheidung von Ober- und Unterarm ist der Ausdruck für den ehemaligen Übergang vom Wasser- zum Landleben.  Die Menschenhand läßt in dem Mechanismus ihrer Drehbewegungen noch die alten Ruderbewegungen erkennen, nämlich in der Rollung nach außen und innen, dem die Grundanordnung der Muskeln am Vorderarm noch entspricht.
2. Die Affen haben das auszeichnende Merkmal der Menschenhand, die Opponierbarkeit des Daumens, schon rückgebildet oder ganz verloren.  Hierin ist der Mensch primitiver geblieben, kann also nicht von ihnen abgeleitet werden.  Die Halbaffen allein haben die menschenartige Hand vollkommen bewahrt.  Aber die Halbaffen sind nicht die unmittelbaren Ahnen der höheren Affen, auch nicht des Menschen, weil sie trotz Bewahrung einiger sehr ursprünglicher Merkmale doch einseitig differenziert sind.  Wenn sie also mit den Primaten einschließlich des Menschen in wurzelechtem Zusammenhang stünden, dann könnte die alte Nahtstelle nur im mesozoischen Zeitalter liegen, weil sie schon in der Alttertiärzeit stark spezialisiert, d. i. vom Menschentypus stark verschieden erscheinen.  So sind die Halbaffen eine Gruppe, die sich auf eigener Entwicklungsbahn von einem vielleicht mit den Primaten und dem Menschen gemeinsamen sehr alten Formstadium wegentwickelte und selbständig wie der Mensch den opponierbaren Daumen erworben haben kann.
3. Die Menschenhand hat zwei Elemente in sich: das des Greiffußes und das des Gehfußes.  Sie hat an der Kleinfingerseite einen Muskelballen, der nicht zur Fingerbewegung dient, sondern ein Polster zum Schutz der Nerven und Gefäße gegen Pressung ist.  Dieses Polster und der muskulöse Daumenballen bieten daher eine Sohlenfläche zu einer Art Laufunterstützung der Füße durch die Hände dar, wenn auch in sekundärer Entwicklung.  Aber gerade, daß dies sekundär entwickelt ist und nicht primär, beweist, daß das vorhergehende ursprünglichere Stadium der Menschenhand eben nicht der einfache Lauffuß wie bei allen tertiärzeitlichen Säugetieren gewesen war.
4. Daß am Menschenfuß der Charakter einer Greifhand, also nicht einer einfachen Laufextremität wie bei den übrigen Säugetieren, ursprünglich da war, geht aus der Embryonalentwicklung hervor, die den Fuß nach Art der Hand zuerst noch gebaut zeigt, wobei die große Zehe wie ein Daumen absteht.  Der jetzige Menschenfuß ist somit rückgebildet aus einem Kletterfuß, nicht aus einem Säugetierschreitfuß.  Der Menschenaffentypus aber hat mit seinem Fuß einen so einseitig vorgeschrittenen Zustand schon erreicht, daß er als Seitenzweig des Urmenschentypus, nicht aber als Stammvater des Menschen darin erscheint.  Auch die Anordnung der Blutgefäße und Nerven im Menschenfuß ist derart, daß der Raum zwischen 1. und 2. Zehe besonders betont ist, obwohl er äußerlich im fertigen Menschenfuß nicht mehr zum Ausdruck kommt.

Zu entsprechenden Ergebnissen führt die Betrachtung des Gebisses:
1. Affen- und Menschengebiß sind durch ihre ursprüngliche Lückenlosigkeit, die keinem jungtertiärzeitlichen Säugetier mehr zukommt, ausgezeichnet.  Aber auch die in den Menschenstammbaum eingereihten Halbaffen haben in der Alttertiärzeit schon zwischen Eck- und Backenzähnen die Lücke.  Nur bei einer Form (Necrolemur) aus der Alttertiärzeit erscheint die volle primatenartige Zahnzahl.  Aber ihn deshalb in die Stammreihe der Primaten und des Menschen einzurücken, verbietet der starke Eckzahn, der zwar ein pithekoides, aber kein menschliches Merkmal ist, und außerdem hat er statt der Lücke ein an Zahnzahl geringeres Gebiß, ist somit hierin schon einseitig entwickelt.
2. Die jetzigen Menschenaffen haben, zum großen Unterschied auch vom Diluvialmenschen, stark entwickelte Eckzähne (Fig. 6).  Würde der Mensch von Trägern eines solchen starken Eckzahnes abstammen, so müßte der Entwicklungslauf in einer Reduktion der Eckzahnstärke bestehen, mithin müßten die ältesten gemeinsamen Stammformen von Mensch und Primaten erst recht starke Eckzähne gehabt haben; auch der diluviale Mensch müßte als vermutlicher Vorfahre des Jetztzeitmenschen noch stärkere Eckzähne als dieser besessen haben, was nicht der Fall ist, obwohl der Schädel durch seine etwas niedrigere Wölbung und seine Augenwülste affenähnlicher war.  Da aber auch die Halbaffen wegen ihrer sonstigen Differenzierung in Schädel und Gebiß nicht Stammeltern des Menschen sein können, so ist für den Menschenstamm die Bahn außerhalb der Primaten und der Halbaffen zunächst bis in die Alttertiärstufe hinunter frei.

Auch die Schädelbildung liefert noch einige Anhaltspunkte, die kurz erwähnt seien:
1. Beim menschlichen Embryo verlagern sich die Augen von der Seite nach vorne.  Der fertige Mensch ist in der nach vorne gerichteten Stellung seiner Augen das vollkommenste Säugetier.  Diese Vollkommenheit ist aber nicht gleich der extremsten Entwicklung in dieser Richtung.  Denn die Menschenaffen sind darin übertrieben spezialisiert, über den Menschenzustand noch hinaus.  Mit jener Augenverlagerung nach vorne wird die ursprüngliche säugetierhafte Nasenregion verschmälert.  Bei den Affen ist diese noch schmäler geworden als beim Menschen, dessen Augenhöhlen noch seitlicher liegen, wenn sie auch im Gegensatz zu den übrigen Säugetieren sehr nach vorne gerückt sind.  Die Affen können also auch hierin nicht das Vorstadium zum Menschen sein.
2. Mit der Augenverlagerung hängt auch die Schädelwölbung zusammen.  Durch die Verdrängung des Geruchsorgans bei der Vorwärtsverlagerung der Augen, durch die damit eingetretene Erweiterung der Gesichtseindrücke konnte sich die Großhirnhemisphäre beim Menschen so erweitern, daß er darin alle anderen Tiere übertraf.  Solange das Schädeldach noch flach war oder nach hinten anstieg, war die vordere Augenregion von der hinteren Schädelregion abgegrenzt.  Als sich das Großhirn und damit das Schädeldach durch seine Wölbung über die vordere Region emporhob, blieben als betonter Rest jene Augenwülste übrig, die den Diluvialmensch und den Australier noch auszeichnen.  Beim Gorilla setzt sich die besonders starke Kiefermuskulatur an die Augenwülste an und verstärkt sie noch.  In dem entwicklungsgeschichtlichen Augenblick, wo die Schädelwölbung in dem beschriebenen Zusammenhang einsetzte, war der Divergenzpunkt einerseits zum heutigen Menschen, andererseits zu den Menschenaffen erreicht.  Von da ab mußte theoretisch einerseits der Mensch mit der hochgewölbten Stirn, andererseits der immer menschenaffenartiger werdende Gorillastamm sich abzweigen, dessen Extrem schließlich der Gorillaschädel mit dem Knochenkamm über das Schädeldach herüber wurde.  Das Junge des Gorilla hat noch einen sehr menschenähnlichen Schädel im Gegensatz zum erwachsenen Tier.  Nachdem der Gorillastamm sich abgezweigt hatte, ging der noch nicht vollendete Menschenstamm seinen Weg weiter zum vollendeten Großhirn mit dem gewölbten Schädel; auf einem dabei erreichten höheren Entwicklungsstadium stellte sich noch einmal eine Spaltung ein, die den übrigen Menschenaffenkomplex schuf.  Und damit erst war der vollendete quartärzeitliche Vollmensch da.

Fr. Weidenreich, Der Menschenfuß (Zeitschr. für Morphologie und Anthropologie. Bd. 22. Stuttgart 1921, S. 51-282) kommt bei der anatomischen und statischen Durcharbeitung des Menschenfußes dazu, den Menschen von Formen mit fünffingerigem Kletterfuß theoretisch abzuleiten, worin er sich als primitivste und beweglichste Form gegenüber allen Säugetieren, außer den kletternden Primaten und Beuteltieren, erweist.  Diesen gegenüber ist der Menschenfuß aber durchaus einseitig spezialisiert.  Der Fuß des Jetztweltmenschen zeigt trotz bemerkenswerter primitiver Merkmale einzelner Rassen keine direkten Beziehungen zu einer bestimmten Primatengruppe.  Der Hominidenahn muß schon von vornherein lange untere Extremitäten besessen haben, als er so die terrestrische Lebensweise aufnahm.  Die anthropomorphen Affen scheiden aus.  Es muß einmal eine Primatenform bestanden haben, die wie die Beuteltiere eine besondere Hautverbindung zwischen zweier und dritter Zehe (Zygodaktylie) neben einer allgemeinen Schwimmhautbildung besaß.  Diese ging teilweise verloren, wurde aber im Hylobatiden- und Hominidenstamm bewahrt und beweist auch die stammesgeschichtliche Selbständigkeit des Sprosses, der zum Menschen führte.  Wo er abzweigte, ist schwer zu sagen.  Weidenreich nimmt mit Schwalbe an, daß der Sproß "in seiner Selbständigkeit sehr weit herabreicht".


6) M. Schlosser (Beiträge zur Kenntnis der oligozänen Landsäugetiere aus dem Fayûm, Ägypten.  In: Beiträge z. Paläontologie und Geologie Österr.-Ungarns und des Orients. 

Bd. 24. Wien-Leipzig 1911, S. 55ff.) verfolgt den "Stammbaum" der Simiiden bis zu diesem Propliopithecus zurück, und danach ergäbe sich umstehende Ahnenreihe, zu der die einzelnen Gattungen in kurzen Definitionen und teilweise mit Abbildung ihrer Reste in dem Lehrbuch von K. A. v. Zittel (Grundzüge der Paläontologie.  Bd. II. Wirbeltiere.  4.Aufl. München-Berlin 1923.  Säugetiere, bearb. von M. Schlosser) aufgeführt sind.
Die Gattungen dieses Stammbaumes treten auf weite Länder verteilt auf und sind zum Teil nur auf Kieferreste (Fig. 6) oder bloß Einzelzähne gegründet, von denen es teilweise überhaupt zweifelhaft ist, ob sie zusammengehören (Eoanthropus).  Mit diesem Stammbaum erklärt Schlosser den Tertiärmenschen und seine vermeintlichen Primitivwerkzeuge (Eolithen) für widerlegt, zumal auch der diluvale Primitivkiefer des Homo Heidelbergensis die Hypothese eines Tertiärmenschen überflüssig gemacht haben soll.

W. K. Gregory, der mit Schlosser an der Bedeutung des alttertiärzeitlichen ägyptischen Propliopithecus als unmittelbarem  Menschenaffenahnen festhält, gibt folgenden, hier nur wesentlich verkürzten Stammbaum (The origin and evolution of the human dentition. Journ. of Dental Research. Vol. II  S. 688. New Haven 1920.  Ferner: Studies on the evolution of the Primates.  Bullet. Americ. Mus. Nat. Hist.  New York 1916, S. 313ff.):

*) Von Gregory ins Pliozän gesetzt.

Was sofort auch an dieser Tabelle auffällt und gegen die Anordnung einnimmt, ist, daß gerade wieder an der entscheidenden Stelle des angeblichen Menschenwerdens, wo Mensch und Menschenaffe sich trennen sollten, so daß man von einer nachweisbar späten Entstehung des Menschen sprechen dürfte, eine imaginäre Stammform angedeutet werden muß, ein Strichknoten statt eines wirklichen Ahnherrn.  Derart ist aber immer das Ergebnis der formalen Deszendenzlehre, man mag es mit welchen Tieren nur immer, hohen oder niederen, zu tun haben: immer dort, wo wir eine wirkliche "Urform", einen wirklichen Stammvater haben sollten, müssen wir uns mit Bindestrichen begnügen; die wirkliche Urform aber - in diesem Falle Propliopithecus - ist ein nicht einmal vollständiger Unterkiefer.  Würde zu diesem das ganze Skelett gefunden, so müßte es sich erst noch zeigen, ob die Gattung nicht doch so einseitig entwickelt war, daß sie wiederum aus diesem Stammbaum als Seitenzweig auszuscheiden ist.  Man bedenke auch, daß auf der vorstehenden abgekürzten Tabelle sehr zugunsten dieses Stammbaumes noch der Umstand spricht, daß hier einige Zeitstufen im Miozän und Oligozän zusammengenommen sind, so daß in Wirklichkeit Propliopithecus noch weiter ohne sichere Zwischenglieder vom Menschen abrückt.  Entwerfen wir also mit den vorigen Mitteln den Stammbaum ohne petitio principii, dann sieht er wohl aus, wobei die Strichelung das Hypothetische darstellt:

Jene Art Stammbaumrekonstruktion, wie sie üblich ist, beruht eben auf dem im Text prinzipiell bestrittenen formalistischen Verfahren.  Unter seinem Einfluß ist der auch für den Nichtfachmann sehr lesbare Aufsatz von G. Schwalbe geschrieben, der als zusammenfassendes Ergebnis der anatomischen und paläontologischen Forschung des letzten halben Jahrhunderts angesehen werden kann: "Die Abstammung des Menschen und die ältesten Menschenformen.  (Kultur der Gegenwart. Teil III. Anthropologie. Leipzig-Berlin 1923,
S. 223 bis 338).  Schwalbe ist ein Gegner der Lehre von Klaatsch und erkennt weder die Herkunft der Affen aus dem Menschenstamm, noch die Existenz eines tertiär zeitlichen Menschen an.  Wenn er darauf hinweist, daß der Mensch viele Eigenschaften enthält, die er mit den niederen Säugetieren teilt (Gaumenfalten-Jacobsohnsches Organ in der Nase, Übereinstimmung der Embryonalformen z. B. in den Kiemenspalten usw.) und ihn damit formal an die niederen Säugetiere anschließt, so wäre die gegebene Ausdrucksweise für diese Tatsachen nicht die, daß der Mensch "deshalb" von niederen Säugetieren "abstamme", sondern die, daß er niedere Säugetierstadien an sich hat; womit er ebensogut deren Ahne sein kann, wie auch beide einen gemeinsamen Ausgangspunkt haben können.  Denn auch die niederen Säugetiere, soweit man zurückgeht, sind so einseitig entwickelt, daß nicht abzusehen ist, wo der Mensch mit seinen vielfach nicht nur sehr primitiven, sondern auch anders gearteten Eigentümlichkeiten später gegen Ende der Tertiärzeit angeknüpft werden könnte.  Denn die von Schlosser gegebene Affenreihe - soweit wir nicht nur einzelne Zähne und Kieferreste miteinander vergleichen - ist schon, nach Klaatschs Darlegungen, mit einbegriffen in die ursprüngliche Primitivität insbesondere der Hand, so daß man den Menschen als solchen nicht erst kurz vor dem Diluvium aus jener entstehen lassen darf.  Hierfür sei auf die schon angegebenen Arbeiten von Klaatsch selbst hingewiesen, deren Kritik dann in dem hier genannten Aufsatz von Schwalbe zu finden ist.  Der wissenschaftliche Streit bekommt ein anderes Gesicht, wenn man die biologisch unhaltbare alte Stammbaumvorstellung als eine Fiktion und ein der Natur nicht entsprechendes Abstraktum aufgibt, sich das Wesen der Typentheorie und das Gesetz des Zeitcharakters klar macht und daraufhin die natürlich gegebenen Formen betrachtet, ohne sie in ein Schema zu drängen.


6a) A. Adolff,  Einige besondere Bildungen an den Zähnen des Menschen und ihre Bedeutung für seine Vorgeschichte.  Anatom. Anzeiger  v. Eggeling.  Bd. 58.  Jena 1924, S. 497ff.


7) In diesem Sinne sagt selbst Schwalbe, es gehe keinesfalls an, die Greifhand des Menschen auf eine solche bei alttertiären Säugetieren zurückzuführen.  Beuteltiere kämen wegen ihrer sonstigen Differenziertheit nicht in Betracht, es sei denn, daß man an die anzunehmenden älteren gemeinsamen Ausgangsformen der Plazentalier und Marsupialier anknüpfen wolle.
Man sieht, wie durch die sachliche Betrachtung auch dieser, ein höheres Alter des Menschen so von Grund aus ablehnende Forscher, ohne daß er es bemerkt, schon zu einem außerordentlich hohen Alter geführt wird.


8) W. K. Gregory, R. W. Miner, G.K. Noble,  The Carpus of Eryops and the Structure of the primitive Chiropterygium.  Bullet. Americ. Mus. Nat. Hist.  New York 1923, Vol. 48, S. 279.
W. K. Gregory,  Present status of the problem of the origin of the Tetrapoda etc.  Annals New York Acad. Science.  Vol. 26, 1915,  S. 317-383.


8a) W. Soergel.  Die Fährten der Chirotheria.  Eine paläobiologische Studie.  Jena 1925.


9) Zu unterscheiden von der gleichmäßigen Streckung der ganzen Extremität ist deren sekundäre Verlängerung bei springenden Tieren wie Vögeln und gewissen Säugetieren (Springhasen und -mäuse) des känozoischen Zeitalters.  Da werden nicht die Hinterbeine als Ganzes gestreckt und der Fuß behält seine Eigentümlichkeit bei, sondern die Fußwurzelknochen vor allem werden stark verlängert und sonstwie noch modifiziert.  Nur bei einem gewissen Teil von Schrecksauriern aus der Jura- und Kreidezeit tritt dieselbe Streckung der Fußwurzelknochen ein; das sind jene Gattungen, welche etwas durchaus Vogelähnliches haben, die wie ein Straußvogel aufrecht gingen und wegen ihrer hohlen Knochen, sowie einigen anderen Skeletteigentümlichkeiten mit Vögeln in stammesgeschichtlicher Beziehung stehen können.  Ihre zum Teil gewaltigen Dimensionen lassen in ihnen die sagenhaften Drachen vermuten.  Abermals davon zu unterscheiden ist die Stelzbeinigkeit, welche nicht nur in den beiden Hinterfüßen, sondern in allen vier Füßen gleichartig erreicht ist durch Streckung und Verschmelzung einzelner Fußwurzelknochen, wie bei Hirschen und Schafen.  Besonders wichtig zur Feststellung der Hochbeinigkeit als Zeitsignatur ist ferner, daß auch die , jedenfalls den Typus des mesozoischen Säugetieres ausschließlich ausmachenden Beuteltiere, soweit sie aufrecht gehen und stehen, stets den in seiner Wurzel schon etwas verlängerten Fuß, jedoch völlig auf dem Boden liegend haben, so daß äußerlich durchaus der Habitus des gewöhnlichen mesozoischen Landreptils mit den einfach gestreckten Hinterbeinen gewahrt wird.


10) G. Steinmann, Der Ursprung des Menschen.  Die Westmark.  Köln-Mühlheim 1921,  S. 457ff.


10a) M. Westenhöfer, Über die Erhaltung von Vorfahrenmerkmalen beim Menschen usw.  Medizinische Klinik.  Jahrg. 19.  Berlin 1923, Nr. 37. -, Das menschliche Kinn, seine Entstehung und anthropologische Bedeutung.  Archiv f. Frauenkunde u. Konstitutionsforschung.  Bd. X.  Berlin 1924, S. 239-262.