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Altgermanische Sternwarten und -schulen
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Unsere Vorfahren betrieben bereits vor langer, langer Zeit astronomische Anlagen.
Der hochverdiente Erforscher der sagenumwobenen Externsteine am Teutoburger Walde, Wilhelm Teudt-Detmold, dem wir wundervolle Erkenntnisse auf dem Gebiet der astronomischen Geschichte verdanken, besonders hinsichtlich des germanischen Sonnen- und Mondheiligtums auf dem Turmfelsen der Externsteine, hat sein Lebenswerk gekrönt mit der Auffindung eines "Ortes, wo unsere Vorfahren um das Jahr 1850 vor Christi Geburt eine Pfelgstätte der Astronomie großen Umfanges eingerichtet haben". (Dr. Alfred Seeliger)

Doch lassen wir nun Wilhelm Teudt in seinem Buche "Germanische Heiligtümer" selbst zu Wort kommen (nur die wichtigsten Punkte):
"Am Rande der Senne, wo am Fuße des Teutoburger Waldes schon die Landschaft in fruchtbares Gelände übergeht, war es der Gutshof Oesterholz (Haus Gierken) 2 km westlich der Kohlstädter Ruine, der schon auf der Karte durch seine Größe und eigenartige Gestalt und beim Besuch durch sein klösterliches Gepräge und seine merkwürdige Umhegung die Aufmerksamkeit auf sich zog.  Zum Teil kräftige, nahezu festungsartige Wälle mit äußerer Mauerstützung, zum Teil Mauern, deren Wälle zerflossen sind, zum Teil nur Mauern, umschließen in Gesamtlänge von etwa 1040 m ein 32 Morgen großes Grundstück, größtenteils Wald, einen ansehnlichen Teich, Gartenland, sumpfige Wiesen, ein Wohnhaus, ein Verwaltungsgebäude und kleinere Baulichkeiten; für die zugehörige Landwirtschaft ist außerhalb der Mauern ein neuzeitlicher Wirtschaftshof angelegt.
Die erste Besichtigung rief den Eindruck eines Lagers oder einer Fluchtburg hervor, die man später zu einer Siedlung benutzt und dann auch wohl erneut befestigt hat.  Aber allerlei Erwägungen über das Bedürfnis, den Zweck einer festungsartigen Anlage an dieser Stelle und die Ausführung ließen ihre Rätselhaftigkeit auch schon damals erkennen, als mir das Urteil militärischer Sachverständiger und die geschichtlichen Bedenken noch nicht bekannt waren.  Als bloßer Hofschutz kam aber eine Befestigung, deren Verteidigung eine erhebliche Truppenmacht erforderte, überhaupt nicht in Betracht.
Dann aber mußte die eigenartige Form der Umgrenzungslinien von vornherein auffallen, weil sie in dem ebenen Gelände an keiner Stelle einen Anlaß erkennen ließ.
Es erschien mir unwahrscheinlich, daß einst nur ein spielerisches Vergnügen des ersten Ansiedlers oder eines späteren Besitzers der Grund für diese Form des Grundstücks gewesen sein könnte.  Dabei ließ sich zum Teil schon auf der Karte erkennen, zum Teil wurde es durch Ortsbesichtigung festgestellt, daß die Form durch geradlinige Mauern ohne Unterbrechungen scharf ausgeprägt ist.  Zum größeren Teil sind es Mauern, die die Umwallung vor dem Zerfall bewahrt haben, zum kleineren Teil sind sie aus zusammengesunkenen Steinen in späteren Zeiten mit Kalkspeise wieder aufgebaut.
Nur an zwei Stellen ist die Anlage empfindlicher gestört, an der einen durch das Übergreifen eines Wirtschaftsgebäudes, an der anderen durch die eine Ecke eindrückende Landstraße.  Eine etwas schwankende Linienführung am Anfang einer Seite an einer dritten Stelle und sonstige kleine Unebenheiten sind ebenfalls ohne Belang.  In Anbetracht dessen, daß wir es nicht mit einer Neuanlage, sondern mit einem archäologischen Objekt zu tun haben, kann das Urteil dahin lauten, daß das unregelmäßige Sechseck in seiner Linienführung klar ausgeprägt daliegt.


Abb. 1 (Bildquelle/-text: Buch "Germanische Heiligtümer" v. Wilhelm Teudt, 4. Aufl., 1936, Eugen Diederichs Verlag, Jena)
Katasterauszug des Gutshofs.  Die voraussichtliche Änderung ist durch die beiden mit seiner Punkt-Punkt-Strich-Strich-Linie
zugefügten Seiten II und VI angedeutet.  I fällt weg.



Wenn auch die Anlage dieses Gutshofes zunächst ganz allgemein interessierte, so waren doch meine astronomischen Fragen in mir wach geblieben.  Der auf die Mauer I gelegte Kompaß wies die Nordrichtung ohne bemerkbare Abweichung auf.  Die Nachbarmauer II zeigte mit auffälliger Genauigkeit dasselbe, mir vom Externstein her bekannte Azimut der nördlichen Mondwende nach der Untergangsseite.
Sollte hier ein astronomisches Sechseck vorliegen, in dem sich die Astronomen früherer Zeiten, wie ich es einst irgendwo gelesen hatte, mehrere Linien zusammenstellten, um sie bequem beieinander zu haben?

Über den Gutshof Oesterholz begannen dann die Verhandlungen mit den Observatoren am astronomischen Recheninstitut der Universität Berlin, den Professoren Riem und Neugebauer, die mich in der astronomischen Frage der Externsteine beraten hatten. .... Ihre Arbeit, deren fachwissenschaftliche Berechnungen nebst Anwendung auf den vorgelegten Katasterauszug niemals in Zweifel gezogen sind, führte zu dem überraschenden Ergebnis, welches besagte, daß der Gutshof als eine astronomische Anlage anerkannt werden müsse.

Meine Versuche, durch Grabungen Klarheit über den vorgeschichtlichen Charakter des Platzes zu gewinnen, schlugen fehl.  Die vom Landespfleger Schulrat Schwanold an einigen Stellen unternommenen Untersuchungen brachten nur wenig Licht.  Der damalige Landeskonservator Dr. Stieren veranschlagte die Kosten einer gründlichen Untersuchung des Gutshofes mit Umhegung auf mehrere Tausend, an deren Bewilligung in jenen Jahren 1926-28 nicht zu denken war.  So blieb es bis 1935 bei den mancherlei günstigen Studienergebnissen zum vorgeschichtlichen Alter des Hofes, zur germanischen Himmelskunde.  Es kam zu der allgemeinen und auch im Oesterholzer Sonderfall denkrichtigen Erwägung, die ich damals wie folgt geformt habe:
"Die uns in der Natur und im Kataster entgegentretenden Linien sind durch Menschenwerk irgendwann und irgendwie gezogen worden.  Sie haben eine mathematische Figur gebildet, die eine Bedeutung in sich selbst hat.  Dabei ist es gleichgültig, ob die Linien durch zyklopische Mauern, durch Erdwälle, durch Gräben, durch Hecken oder durch einzelstehende Merksteine gekennzeichnet worden sind, gleichgültig auch, wie oft in den Jahrtausenden mit dem die Linien darstellenden Material Wandlungen vor sich gegangen sind - wenn nur die Linien als solche für uns noch da sind." 
Wie sie gegenwärtig sich bemerkbar machen, zeigen die Abb. 2 und Abb. 3, wie sie ursprünglich waren, wissen wir nicht.


Abb. 2 (Bildquelle/-text: Buch "Germanische Heiligtümer" v. Wilhelm Teudt, 4. Aufl., 1936, Eugen Diederichs Verlag, Jena)
Die veränderte Grenzlinie II




Abb. 3 (Bildquelle/-text: Buch "Germanische Heiligtümer" v. Wilhelm Teudt, 4. Aufl., 1936, Eugen Diederichs Verlag, Jena)
Grenzmauer VI


Es ist höchst merkwürdig und für das Oesterholzer Problem schicksalhaft geworden, daß niemand, weder ich selbst noch irgend einer der überaus zahlreichen Besucher und Beurteiler der Umhegung des Hofes, weder die gelehrten noch die ungelehrten Praktiker die Frage gestellt haben, ob denn die oberste Voraussetzung der Brauchbarkeit eines Katasterauszugs auch wirklich für die Osthälfte der Umfriedung des Hofes mit ebensoviel Wahrscheinlichkeit als erfüllt angenommen werden dürfe, wie für die Westhälfte.  1935 kam die Verneinung dieser Frage.

Nachdem die Kongruenz (das Zusammenfallen) der Linien III, IV und V des Katasterauszugs mit den entsprechenden Mauern eines uralten Befestigungswerkes nach germanisch-keltischer Bauart (Abb. 4) durch Reinerth festgestellt war, war es infolge der erwähnten Versäumnis für alle eine Überraschung, als die Suche nach dem Eckpunkt der Linie V die Tatsache aufzudecken begann, daß der östliche Teil des Befestigungswerkes um einige Meter weiter in das Gelände hinausgegriffen hat, als die jetzigen Mauern und der Katasterauszug ausweisen.  An Stelle der kürzesten, bisher schon am meisten umstrittenen Seite I ist ein Winkel vorhanden, dessen umschließende Schenkel von den entsprechenden Katasterseiten um einige Grade abweichen.  Das nunmehrige Fünfeck hat noch 3, vielleicht 4 Seiten, die der astronomischen Wertung im Gutachten genau entsprechen.  Die in den Katasterauszug (Abb. 1) eingetragenen Punktstrichlinien sollen, da der Schlußbericht noch nicht vorliegt, ungefähr die Art der Veränderung andeuten.


Abb. 4 (Bildquelle/-text: Buch "Germanische Heiligtümer" v. Wilhelm Teudt, 4. Aufl., 1936, Eugen Diederichs Verlag, Jena)
Spuren der Holzkonstruktion eines Walles


........................
Nicht als Vertreter einer exakten Wissenschaft, sondern als Geschichtler von der Freiheit des deutenden Geschichtsschreibers Gebrauch machend, fasse ich meine Gedanken über den Gutshof Oesterholz, wie sich durch die neuerlichen Feststellungen bis jetzt gestaltet haben, in einigen Sätzen zusammen und lasse dann den gesamten Sachverhalt und Gedankenkreis um die Oesterholzer Kultburg (seit einigen Jahren Sternhof genannt) folgen:
1. Die Reinerthsche Grabung im Sommer 1935 hat als wichtigstes Ergebnis den vollen Beweis der vorgeschichtlichen Entstehung des Gutshofes in germanischer Zeit erbracht und allen dagegen erhobenen Zweifel ein Ende bereitet.
2. Wie auch sonst die germanischen Wallburgen, deren Umhegung die Eigenschaften eines kriegerischen Befestigungswerkes aufweisen, um deswillen keineswegs ihren ursprünglichen Charakter als Kultstätten verlieren, so kann auch die Aufdeckung eines aus der germanischen Zeit stammenden, prächtigen Befestigungswerks um den Gutshof Oesterholz in keiner Weise seine Eigenschaft als Kultstätte in Frage stellen.  Alle schwerwiegenden dafür sprechenden Gründe, die mit Astronomie nichts zu tun haben, die für sich allein so manchen für die Weihestätte gewonnen und begeistert haben, bleiben völlig unangetastet und erfahren sogar durch Reinerths Entdeckung des eigenartigen Eckturmes noch eine Verstärkung.
3. In der Zusammenschau aller Umstände wird uns als Besonderheit der Bestimmung dieses Hofes nahegelegt, daß er als Sitz derer anzusehen ist, denen die unentbehrlichen Dienste bei den kultischen Handlungen und religiösen Aufgaben oblag.  Dazu gehörten auch die mit der Religion eng verbundenen wissenschaftlichen Bestrebungen der alten Zeit, vor allem die Astronomie.
4. Wenn die geometrische Grundlage des astronomischen Gutachtens der Professoren Neugebauer und Riem zum Oesterholzer Gutshofe sich auf 4 oder 3 Fixsternlinien eines Fünfecks verringert, so daß ich zunächst den Satz aus der wissenschaftlichen Diskussion zurückziehe, so bleibt doch eine astronomische Erscheinung übrig, die dauernde Aufmerksamkeit erfordert.
5. In Ermangelung einer strategischen oder sonstigen kriegerisch-militärischen Bedeutung des Hofes kommt für den, der sich das Befestigungswerk nicht ohne einen kriegerischen Zweck denken kann, in Betracht, anzunehmen, daß das Werk auch zum Schutz der Heiligtümer in den Jahren 14-16 nach Chr. Geb. verstärkt sein mag, nachdem die Römer durch die Zerstörung des Tanfanaheiligtums zum ersten Male bekundet hatten, daß sie in Germanien auch die gottesdienstlichen Stätten nicht mehr schonen wollten. 


Bis heute (im Jahr 2010) ist ein Teil der Sternenhofumgrenzung noch sichtbar.


Auch um des geschichtlichen Interesses willen bringe ich das astronomische Gutachten im Kleindruck unter dem Strich (1), mit Zustimmung der Verfasser unverändert.
Einige zum Verständnis dienende Bemerkungen, die uns nicht nur durch das Gutachten, sondern auch durch germanische Himmelskunde im allgemeinen nahe gelegt sind, lasse ich hier folgen.
Auch für den, der sich mit der Astronomie noch nicht beschäftigt hat, ist es nicht allzuschwer, sich die Hauptgesichtspunkte des Gutachtens anzueignen.
Man verlängert die vom Katasterauszug gegebenen Seiten der Figur und denkt sich die Verlängerung bis zum Horizont durchgeführt.  Die Winkel, die diese Linien mit dem Meridian (Nordsüdlinie) bilden, heißen Azimute.  Es fragte sich, ob die Mauerazimute des Gutshofs Gierke sich mit astronomisch oder mythologisch bedeutsamen Gestirnazimuten in einem solchen Maße decken, daß dadurch die Anlage als eine unter astronomischen Rücksichten geschaffene erwiesen werden kann.
Bei klarem Wetter kann von uns allnächtlich beobachtet werden, wie sich der Sternenhimmel scheinbar von Osten nach Westen um die Erde dreht.  Die Fixsterne gehen für uns stets an derselben Stelle auf und unter, weil die Stellungsänderung der Erde, die durch ihren Lauf um die Sonne bewirkt wird, im Vergleich zu den ungeheuren Entfernungen der Fixsterne ganz und gar verschwindet und keine Rolle spielt.  Es war anzunehmen, daß die Germanen den feststehenden Auf- und Untergangspunkten der Fixsterne ihre Aufmerksamkeit gewidmet haben, wie das auch von den alten Chaldäern usw. geschehen ist.  Zu dem Zwecke war von ihnen in erster Linie die Entfernung der Auf- und Untergangspunkte der für sie wichtigen Gestirne vom Nord- oder Südpunkte zu beobachten und festzulegen.  Im Unterschiede von den Fixsternen verschieben sich die Auf- und Untergangspunkte der Sonne, des Mondes und der Planeten am Himmelsrande das ganze Jahr über fortwährend innerhalb gewisser Grenzen.  Der jährlich sich gleichmäßig wiederholende Sonnenlauf kann durch Festlegung des Aufgangspunktes an gewissen wichtigen Tagen, vor allem an den Tagen der Sonnenwenden, verhältnismäßig leicht erfaßt werden.  Zu vollkommner Mondbeobachtung gehört, wie bereits erwähnt, eine 18- bis 19jährige Periode.  Die scheinbare Regellosigkeit des Planetenlaufs aber bot vor Kopernikus auch dem erfahrensten Beobachter schier unüberwindliche Schwierigkeiten.  Dem entsprach, daß im Gutshof Oesterholz keine Planetenlinie, aber vier Fixsternlinien, eine Mondlinie und eine Sonnenlinie gefunden wurden.

Einerlei, ob es den Alten bewußt war oder nicht, daß die Fixsterne doch ihren Standort am Himmel allmählich, in Jahrhunderten merkbar, verändern, jedenfalls lag eine Tatsache vor, die unsere Astronomie in den Stand setzt, aus den zu ihrer Kenntnis gelangenden Fixsternazimuten früherer Zeiten mit einer bis auf Jahrzehnte gehenden Genauigkeit die Zeit zu berechnen, in der man den Sternort festgestellt hat.
Diese gestirnkundliche Zeitberechnung ist auf die Umfassungslinien des Gutshofes Oesterholz angewandt mit dem Ergebnis, daß alle sechs Linien eine astronomische Bedeutung zeigten und daß vier von ihnen als Sternazimute die denkbar günstigste Grundlage dafür abgeben, um einen Rückschluß auf die Entstehungszeit der Anlage zu ziehen und zwar weisen die Fixsternazimute eindeutig auf die Zeit um 1850 vor Chr. Geburt hin.
Zu beachten war, daß aus der großen Menge der Fixsterne nur eine kleine Anzahl eine solche Bedeutung hat, daß sie hier in Betracht kamen.  Alle übrigen haben entweder keinen Auf- und Untergang oder sie hatten bei den Alten keine mythologische oder sonstige Bedeutung.  Es wurden von mir für die Untersuchung nur Spica, Capella, Sirius, Pollux oder Kastor, Plejaden oder Aldebaran, Arcturus, Delta Orionis angegeben.  Falls mit diesen 7 Sternen - außer Sonne und Mond - kein Ergebnis zu erzielen war, stellte ich den Sachverständigen die Einstellung der Bemühungen anheim.

Es war eine überaus dankenswerte Arbeit der astronomischen Sachverständigen, daß sie außer den ihnen angegebenen Sternen, noch alle anderen hellen Sterne für alle Zeiten zwischen 1000 nach Chr. Geburt und 4000 vor Chr. Geburt nachgerechnet haben, ob vielleicht sonstwie ein Zusammenklang von mehreren Sternazimuten mit den Mauerazimuten des Gutshofs Oesterholz in ähnlicher Weise herauszubringen sei, wie er sich bei den aufgewiesenen Fixsternen für den Zeitraum von - 1850 ergaben hat.  Das völlig negative Ergebnis dieser Arbeit dürfte bei den Sachverständigen durchschlagend gewesen sein für die in ihrem Gutachten zum Ausdruck kommende Ablehnung der Annahme, als ob der Befund beim Gutshof Oesterholz auch auf einen Zufall zurückgeführt werden könne.

Die Annahme, daß bei den Germanen wahrscheinlich eben dieselben Gestirne eine religiöse, wissenschaftliche oder astrologische Wichtigkeit gehabt haben, welche in der Mythologie der Ost- und Südvölker, in der Edda und in der Bibel vorkommen, konnte durch die Gestirnlinien des Gutshofes Oesterholz als bestätigt angesehen werden.  Dazu kommt aber eine spätere Feststellung, nämlich, daß die Sternkundigen aus der Zahl der mythologischen Gestirne diejenigen ausgewählt haben, welche eine Beziehung auf den Begriff der weiblichen Fruchtbarkeits- und Segensgottheit, der Gottesmutter, haben.  Damit verhält es sich wie folgt.
Was in der orientalischen Astralmythenwelt Istar und Astarte sind, das haben wir im Germanischen mit Wahrscheinlichkeit als Ostara.  Ostara ist ein Name, der allem Anschein nach besonders in Nordwestgermanien volkstümlich geworden war.  Daß Istar und Ostara dasselbe Wort sei, leuchtete ein.  Stärkere Abwandlung als zwischen dem Orientalischen und Germanischen hat der Gottesmutterbegriff in der griechisch-römischen Götterwelt erlitten; aber auch da sind die gleichen Gedanken anzutreffen.
Als eine der stärksten geschichtlichen Bestätigungen der auf ganz anderen Wegen erkannten Bedeutung von Oesterholz erschien die Auffindung einer noch im 17. Jahrh. hier in der Gegend lebendigen Überlieferung (2) des Inhalts, daß sich bei Oesterholz ein Heiligtum der Göttin Ostara (fanum Ostarae Deae) befunden habe.
Daher ist es im hohen Grade beachtenswert, und es klären sich unsere Gedanken über die Bedeutung der astronomischen Anlage des Gutshofes ganz außerordentlich, wenn wir annehmen, daß die Linien in Rücksicht auf den Ostaradienst so ausgewählt worden seien.

1. Sirius ist der ausgeprägteste Istar-Osterastern unter den Oesterholzer Gestirnen, unter denen die ebenfalls hierher gehörige Venus keinen Raum haben konnte.  Im sumerischen Wintersonnenwendkalender wird er geradezu der Madonnenstern genannt und gilt als eine andere Manifestation der virgo coelestis (himmlischen Jungfrau), oder auch als "Hundsstern", als Begleiter der babylonischen Madonna.  In Ägypten ist es der Sirius-Sothis nach der großen Göttin Sothis, die mit dem heliakischen Aufgang (Wiedererscheinung nach der Unsichtbarkeit) des Sirius den Nil steigen läßt (3).  In den "Quellen zur Frage Schleswig-Haithabu usw." von Scheel und Peter Paulsen, Kiel 1930, S. 130 erfahren wir von einem Reisebericht des persischen Weltreisenden Quaswini aus der Bekehrungszeit Schleswigs (9.-10. Jahrhundert).  Quaswini teilt mit, daß außer einer kleinen Zahl von Christen die Bewohner Schleswigs "Siriusanbeter" gewesen seien.  Es ist ein Glücksfall, daß eine solche Nachricht bis an uns herangekommen ist.  Sie bedeutet einen Riß in dem das germanische Geistesleben verdeckenden Schleier, auskunftsreicher, als er auch einer großen Zahl materieller Funde beschieden zu sein pflegt.  Es ist ein Lichtblick auf die bedeutsame Rolle, die der Sirius in Germanien gespielt hat.  Es ist eine Ergänzung zu den Nachrichten des Tacitus und wahrscheinlich wertvoller als diese, weil sie unmittelbar von einem Ohrenzeugen stammt.
2. Capella (in der Edda die Ziege Heidrun?), in den griechischen Mythen die Säugerin des Zeus, hat ihre unverkennbare Beziehung zur weiblichen Gottheit.
3. Orion.  Die Verbindung der Gürtelsterne des Orion mit der Ostara wird im germanischen Volksglauben dadurch offenbar, daß sie als Rocken (auch Spindel) der Freya gelten und die volkstümlichsten aller Gestirne geworden sind.  Im Orientalischen ist Orion aber auch der Götterbote, der in die Unterwelt steigt, um Istar zu erlösen (4).
4. Die Bedeutung der Zwillinge schillert am buntesten in den Mythen der Völker.  "In den Götterlisten der Istar", so lesen wir bei Jeremias (5), "wird als einer ihrer Diener Bubal genannt, dessen Zwillingsbruder Batarak heißt; beide haben ihre Offenbarung im Sternbilde der Zwillinge, gegenüber dem Orion.  Orion und Zwillinge als Oppositionsgestirne sind in der Astralmythologie bis in die späteste Zeit von größter Bedeutung."  Ob Grenzlinie VI alter Zählung nicht jetzt trotz ihrer Verschiebung als Zwillingslinie in Betracht kommen kann, wird erst nach Abschluß der Vermessungen spruchreif sein.

Wenn die Entstehung und Aufnahme des Marienkults erst durch die germanischen Völker in der christlichen Kirche bewirkt worden ist, und dann so inbrünstig betrieben wurde, so ist seine Grundlage im Osteradienst der Germanen zu suchen.  Neben den erwähnten Bedeutungen kennen wir noch die Zwillinge als die noch immer sehenden, an den Himmel geworfenen Augen des Thiassi, den Sirius als Unterweltsstern, von dessen erstem Erscheinen im Licht der untergehenden Herbstsonne vielfach der Beginn des neuen Jahres gerechnet wurde, das Delta des Orion als das Symbol der Manneskraft (Phallus), die Spica als die Segnende und die Spenderin der menschlichen Nahrung.
Im Heliand werden die Sterne "leuchtende Geschicke" genannt, ein Beweis, daß im alten Sachsenlande sogar die Astrologie, die erhebliche astronomische Kenntnisse vom Planetenlauf voraussetzt, eine bekannte Sache war.  Das sei hier nebenbei bemerkt. 
Eine Erscheinung, daß die vier Oesterholzer Sternlinien sich auf die vier bis fünf Gestirne beziehen, die gemäß der Völkermythologie als Ostara-Merkmale bezeichnet werden können, mußte auch innerhalb der buntschillernden Astralmythenwelt ihre Beachtung beanspruchen.


Wenn gefragt wird, warum die Alten sich diesen und keinen andern Platz ausgewählt haben könnten, so sind die einleuchtenden Gründe anzuführen, sobald wird annehmen, daß der Sternhof eine Gelehrtenschule war, wo ebenso, wie es uns von den Goten bezeugt ist, die Astronomie in der allesumfassenden Theologie einen hervorragenden Platz einnahm.
Angesehen als menschlicher Wohn- und Wirkplatz für eine Gelehrtenschule, die in der gemeinsamen heiligen Mark am Osning und an den Lippequellen, umgeben von den ein kräftiges Zeugnis ablegenden Hünengräberfeldern, nicht weit von den Exsternsteinen liegen sollte, ist die Lage des Sternhofes eine derartige, daß, wie uns scheint, die einst mit der Wahl beauftragten Männer keinen besseren Platz ins Auge fassen konnten, als gerade diesen.
Der Platz liegt noch in dem vor Nord- und Ostwinden wohlgeschützten Sennewinkel, auf der Grenze des Sennesandes und des schweren Gebirgsbodens.  Zu ihm hatte die Natur einen bequemen 6 km langen Weg durch ein geradlinig verlaufendes Gebirgstal von den Externsteinen her geschaffen; zwei vortreffliche Quellen mit fruchtbarer Umgebung bezeichneten dann die genauere Stelle, wo der Hof anzulegen sei.
Der - nicht allzu nahe - Gebirgszug ließ 5/8 des Horizonts, von Nordwesten bis Südosten frei, und das weite Flachland der Senne bot die Untergänge der Gestirne ähnlich, wie man sie über dem Meere sieht.  Ohne irgendeinen Nachteil pflegen die Vorteile im Leben nicht beieinanderzuliegen.  Wenne jene Sternkundigen in der Nähe der übrigen heiligen Stätten bleiben und sich nicht in unwirtliche hohe Gebirgslage setzen wollten, dann mußten sie in Kauf nehmen, daß sie nicht den ganzen Horizont frei hatten.  Mag es dem forschenden Sternkundigen in Oesterholz wohl auch nicht recht gewesen sein, daß die Aufgänge der Gestirne durch die Überhöhung im Osten (die höchste Überhöhung durch den Völmerstot beträgt in 8 km Entfernung nur 1,4 °) um einige Minuten verzögert wurden, so ist klar, daß es für den Lehrbetrieb ebenso einfach und vorteilhaft war, die Linien im Westen zur Beobachtung der Untergänge zu benutzen, als der Aufgänge.  Man vergleiche hierzu die oben angestellte Erwägung zum freien und örtlichen Horizont.


Immerhin ist die Erinnerung an die germanisch-astronomische Gelehrtenschule bis in unsere Tage erhalten geblieben.


Wer es, wie wir, versucht, in die eigenartige Welt der alten astronomischen Ortungsneigung einzudringen, der darf von vornherein des mitleidigen Lächelns derer gewiß sein, die für sich das Vorrecht wissenschaftlichen Denkens in Anspruch nehmen zu dürfen glauben, obgleich sie längst zur Einschränkung ihres vermeintlichen Ablehnungsrechtes auf Germanien gezwungen worden sind.  Aber ihr Standpunkt ist auch für Germanien im Abbruch begriffen.  Eine Ableugnung der astronomischen Ortung ist schlechterdings nicht möglich.

Durch die in Germanien weit verbreitete Ortung öffentlicher Stätten, war bereits eine starke Unterbauung der Oesterholzer Erscheinung gegeben.  Außerdem eröffnet Studienrat Hecht in Holzminden ein neues Feld für die wissenschaftliche Untersuchung der Ortungsfrage, wo wir es nicht vermutet hätten.  Es ist die für uns bisher als ziemlich belanglos, jedenfalls als unfruchtbar angesehene Ostung der alten christlichen Kirchen.  Die erste kurze Veröffentlichung ist im "Kosmos" erfolgt.  Der mir von Hecht freundlichst gestattete Einblick in sein bedeutsames Material hat mich davon überzeugt, daß die Änderungen, welche die Westostachsen der alten christlichen Kirchen durch die späteren Choranbauten erfahren haben, uns in verblüffender Weise zur Klarheit über die aus der germanischen Astronomie in die christliche Zeit übernommene Ortungstechnik einführen werden.

Die Umhegung des Sternhofes geht, wie wir sahen, weit hinaus über die Bedürfnisse eines gewöhnlichen Hofes nach Abgrenzung, Viehverwahrung, Schutz gegen Wild oder Sandverwehung.  Sie weckt in dem Teile, wo die Wälle noch erhalten sind, von vornherein den Gedanken an ein Festungswerk.  Dazu scheint früher noch mehr Anlaß gewesen zu sein, als jetzt, da eine alte Karte aus dem 17. Jahrhundert den Hof wie eine Festung behandelt.  Es ist ja auch anzunehmen, daß die Anlage in allen unruhigen Zeiten zur militärischen Verwendung gelockt hat und daß man dann auf Verstärkung bedacht gewesen ist.
Für uns hat Bedeutung, daß die militärischen Sachverständigen, Oberstl. Schroeder und Oberstl. Wittenstein, ihr Gutachten schließen:
"Unter militärischem Gesichtspunkte bildet die Veranlassung der ganzen Anlage ein Rätsel, mögen wir dabei eine Zeitperiode ins Auge fassen, welche wir wollen."
Sowohl die Annahme, daß das Werk von Haus aus ein Sperrfort hätte sein sollen, als auch die Annahme, daß es zu irgendeiner Zeit als Fluchtburg für die umwohnende Bevölkerung geplant gewesen sei, findet in den tatsächlichen Verhältnissen keine ausreichende Stütze.

Damit werden wir wieder zu der ganz andersartigen Ursache der Anlage hingeführt, die uns so eindrücklich nahegelegt wird, daß die Vermutung, es handle sich um eine germanische Gelehrtenschule, nach wie vor ihre Berechtigung hat.  Es ist noch stets ein gutes Recht gewesen, der Feststellung der Tatsachen eine Meinung über den Sinn der Tatsachen hinzuzufügen.  Es ist wertvoll, daß die Berliner Astronomen in diesem Falle trotz des zu erwartenden Widerspruchs Gebrauch von ihrem Rechte gemacht haben.
So gewiß die Druiden Frankreichs - nach Cäsar - Gelehrtenschulen hatten, und die Goten Ostgermaniens - nach Jordanes - Gelehrtenschulen gehabt haben müssen, so gewiß waren Gelehrtenschulen auch in Westgermanien vorhanden.  So gewiß dort und überall die Astronomie zur "Theologie" gehörte, so gewiß war das auch am Osning (Teutoburger Wald) der Fall.  Das sind erlaubte Schlüsse, es sei denn, daß auf dem Boden der Geschichte neben Schriftquellen und Bodenfunden die Vernunftschlüsse - die Logik und Evidenz der Dinge auf Grund unseres sonstigen Wissens - keine Geltung mehr haben sollen.
Es bleibt von höchstem Interesse, wie sich die übrigen Verhältnisse des Gutshofs, vor allem seine Geschichte und etwaige sonst vorhandene Erscheinungen zu der ihm zugesprochenen Bedeutung verhalten.  Dabei ist es von erheblichem Wert, daß eine alte Gelehrtenschule, auch dann, wenn sie sich in einem regelrechten Befestigungswerke befand, mit Sicherheit auch als eine religiöse Stätte gewertet werden muß, ähnlich wie ein Kloster unbedingt als eine religiöse Einrichtung anzusehen ist." ...............................






Eine "Ableger"schule der "Haupt"gelehrtenschule finden wir in Mecklenburg-Vorpommern.
In dem Buch "Hoch-Zeit der Menschheit" des Autor R. J. Gorsleben wird diese "Ableger"schule ausführlich beschrieben:

Die "Ableger"schule
"Als eine über 3000 Jahre alte Sternwarte, aus der jüngeren Steinzeit stammende Steinkreisanlage, ist der sogenannte "Steintanz" bei Bützow erkannt worden.  Die vorgeschichtliche Sternwarte diente zur Beobachtung des Jahressonnenlaufes und zugleich als sehr genauer Kalender.  Auf Grund der gut erhaltenen astronomischen Richtungen der Anlage wurde als Erbauungsjahr das Jahr 1181 vor Christus festgestellt.  Die Steinkreise sind mit Hilfe eines einheitlichen Maßes errichtet worden, das der noch heute in Mecklenburg gebräuchlichen Rute fast gleichkommt.  Besonders interessant ist, daß der Kalender, den jetzt die Kalenderreformkommission des Völkerbundes vorschlägt, nämlich die Einteilung des Sonnenjahres in 13 Monate zu 28 Tagen und einem Neujahrstage, bereits vor mehreren tausend Jahren bei den Erbauern dieses Steinkreises, des Steintanzes" gebräuchlich war.  Der Vorschlag ist also nicht besonders neu; man sollte sich vielmehr auf ein klar eingeteiltes Sonnenjahr einigen."


"Werner Timm, Schwerin, schreibt in den "Mecklenburgischen Monatsheften" vom September und Oktober 1928 über den "Steintanz" von Bützow:
"Abseits von allem Verkehr liegt zwischen Sternberg und Bützow im Herzen des Mecklenburgischen Landes der alte Boitiner Forst.  Nahe der Boitin-Zerniner Schneise sieht man zur Linken auf einer erhöhten Stelle im Walde 25 große Granitblöcke stehen, die bis zu 2 m Höhe aus der Erde aufragen.  Wie zu einem grotesken Reigen geordnet, stehen sie da in drei Kreisen von 8,8-14 m Durchmesser.  Und auf der anderen, südlichen Seite des Weges trifft man jenseits der tiefen Schlucht eines alten Wassergrabens noch einmal einen Steinkreis mit neun stehenden und einigen umgesunkenen Felsen.  Alle diese Blöcke sind mit der von Natur oder durch Bearbeitung glatten Seite den Kreismitten zugekehrt.
Die Wissenschaftler haben bisher noch nicht näher Stellung genommen zur Frage nach Herkunft und Bedeutung der Steinkreisanlage.
Nun sind aber im Norden Europas noch einige andere ähnliche Steinkreisanlagen erhalten.  Unter diesen Steinkreisanlagen sind die bekanntesten die von Stonehenge, von Avebury und andere in Südengland und auf den Hebriden.
Ales erste haben englische Astronomen, Lockyer (der bekannte Entdecker und Benenner des Heliums im Sonnenspektrum) und andere, die Entdeckung gemacht, daß die Steinkreise von Stonehenge, Avebury usw. von Sternkundigen erbaut worden sind.  Die Achse des Denkmals von Stonehenge ist genau auf den Sonnenaufgangspunkt zur Zeit der Sommer-Sonnenwende gerichtet.  Auch manche andere astronomischen Richtungen konnten einwandfrei festgestellt werden, so bei mehreren Anlagen die Richtung des Kapella-Untergangs.  Auch die alten Griechen beobachteten noch sorgfältig die Kapella, den "Ziegenstern" im Sternbild des Fuhrmanns, deren Untergang zu bestimmten Zeiten Sturm und Regen ankündigte.  Für uns geht die Kapella überhaupt nicht mehr auf und unter.  Die ihren Umlauf in 26 000 Jahren vollendende Kreiselbewegung des Erdäquators um den Ekliptikpol brachte es mit sich, daß in alten Zeiten die Kapella genau in der von den Steinkreiserbauern mit Felsen festgelegten Richtung unterging.  Aus den astronomischen Richtungen lassen sich auf Grund der Ekliptikänderungen die Erbauungsjahre der Steinkreisanlagen errechnen.  Man fand, daß alle untersuchten Anlagen aus dem 2. vorchristlichen Jahrtausend stammten.  Auch der deutsche Steinkalender von Odry wurde in jener Zeit, ums Jahr 1760 vor Christo, erbaut.  In Odry wird die vom Astronom errechnete Jahreszahl auch durch den Archäologen bestätigt, der von den Gräberfunden in und bei den 10 Steinkreisen sagt, sie stammen aus der Zeit "um 2000" v. Chr.
Mehrmals fiel in diesen Ausführungen schon das Wort "Steinkalender".  Denn die alten Sternkundigen teilten das Jahr nicht nur in die vier Jahreszeiten nach den Richtungen der Winter- und Sommersonnenwenden und der Tag- und Nachtgleichen, sondern an Hand der Steinkreise zählte man auch Tage, Monate und Jahre.  Die Weisen von Stonehenge z. B. zählten einen Zeitraum von 4 Jahren: 48 Steine stehen in dem Kreise, mit dem die Monate gezählt wurden, 30 Steine in dem, der die Tage zählte, 21 in dem dritten Kreis, der als Schaltmonat hinzukam: 30 x 48 + 21 = 1461 Tage = 4 Jahre zu 365 1/4 Tagen.  5 "Trilithen" können daneben die fünftägige Festspielwoche von Stonehenge darstellen; denn bekannter noch als das große Steinkreisdenkmal von Stonehenge ist seine vorgeschichtliche Rennbahn, auf der aller Wahrscheinlichkeit nach jedes 4. Jahr zur Zeit der Sommersonnenwende - die Achse des Denkmals weist darauf hin - ein fünftägiges Fest mit Wettkämpfen aller Art abgehalten wurde.  Der Tag der Wiederkehr des Festes wurde mit dem Kalender von Stonehenge bestimmt.  Auch die olympischen Spiele Griechenlands wurden später in jedem 4. Jahre zur Zeit der Sommersonnenwende fünf Tage lang gefeiert.  Sollten die indogermanischen Ahnen der Griechen bei ihrem Zug nach Süden die Sitte des olympischen Festes aus ihrer nordischen Heimat mitgebracht und entlehnt haben, so daß die uralte nordische Rennbahn, wie sie in Stonehenge erhalten ist, später im griechischen Gewande als "Stadion" wieder zu uns zurückkehrte?
(Selbstverständlich!  Denn sie waren ja von Norden eingewandert!)
In Avebury zählte man, genau wie später die Griechen, die Monate abwechseln zu 29 und 30 Tagen; beide Monatskreise mit 29 und 30 Steinen werden von einem - 450 m Durchmesser haltenden - 99 Monate zählenden Kreise umschlossen, der genau dem Ablauf von acht Sonnenjahren entspricht.  Auch die Griechen zählten später noch diese achtjährige Periode und nannten sie "Oktaeteris".
Neben der astronomischen Messung der Sonnen- und Sternrichtungen und neben der Zeitmessung von Tagen, Monaten, Jahren und mehrjährigen Perioden verstanden sich die Alten vor bald 4000 Jahren auch schon auf die Strecken- und Flächenmessung.

Wie steht nun der mecklenburgische Steintanz in der Reihe der anderen Steinkalender?
Er gehört zu ihnen.  Und ist der besten einer.
Die Größe seiner Steine oder besser Felsblöcke allein ist imposant; ist doch der Durchschnitt ihrer Höhe über der Erde mit 130 Zenitmetern allein das Dreifache derer von Odry!  Und dann ist die Anlage des Steintanzes in ihrem Ausbau selten klar, einfach und sehr gut erhalten: es bedarf keiner langen Rekonstruktionen wie bei anderen Anlagen, um ihren Sinn zu erkennen.  Aus dem Steintanz sind im Laufe der Jahrtausende weit weniger Steine weggekommen als aus den anderen Anlagen in England und in Odry, und die wenigen Lücken sind so in die Augen fallend, daß auch jeder Laie sie sofort schon im Gelände erkennt.


(Bildquelle: Buch "Hoch-Zeit der Menschheit" v. R. J. Gorsleben, Faksimile-Nachdruck v. 1930, Faksimile-Verlag Bremen)
Plan vom Steintanz bei Bützow/Boitin


Der hier abgebildete Plan ist gezeichnet nach einer exakten trigonometrischen Vermessung und Berechnung, die unter meiner Mithilfe auf meine Bitte hin vom Mecklenburg-Schwerinschen Vermessungsamt Bützow vorgenommen wurde.
Die Kreise I, II, und III bilden zusammen den "Großen Steintanz"; 140 m südöstlich davon liegt Kreis IV, der "Kleine Steintanz".  Zwischen den Kreisen I und II liegt, von der Erde fast verdeckt, noch ein einzelner Stein.  An der Außenseite des Kreises IV liegen vier Steine, drei dicht beieinander, der vierte für sich allein.  Der eine Stein des Kreises III ist in der Mitte gespalten, beide Hälften stehen nahe zusammen und doch weit genug, um vom Mittelpunkt des Kreises I über die Mitte von III hinwegzusehen zur Mitte des Kreises IV.  Außer den drei Mittelpunkten stehen mit dem "Visierstein" von III vier (oder fünf?) Steine auf dieser Richtung, die mit der Nordrichtung den genauen Winkel 133° 11' 29" bildet. 
Der Sonnenaufgangspunkt zur Wintersonnenwende ist hier festgelegt und damit der uralte Neujahrstag.  Die 28 Tage des Monats zählte man im "Großen Steintanz", dessen drei Kreise 28 Steine faßten.  Die 13 Monate (= Mondumläufe) des Jahres wurden an den 13 Steinen des "Kleinen Steintanzes" vermerkt.


Sicht auf die Steinkreise I, II und III



In der Mitte sehen wir zwei Steine eng zusammenstehen, daß ist der "Visierstein"



Der Findling im Steinkreis II, in dem 13 Vierkantlöcher eingeschlagen wurden, um die Monate und Mondumläufe des Jahres zu zählen.
Vorhanden sind heute nur noch 10 Vierkantlöcher.


13 x 28 ergibt aber erst 364 Tage; darum zählte man an dem einzelnen Stein zwischen den Kreisen I und II noch einen Tag (wohl den Neujahrstag zum Fest der Wintersonnenwende) besonders hinzu, und das Sonnenjahr war mit 365 Tagen voll.
Bis die Sonnenwendrichtung genau feststand und dann endlich an den Bau des "Kleinen Steintanzes" für die Monate herangegangen werden konnte, zählte man die Monate an dem größten Stein, der schon zum Kreis II herangeschafft war oder der als Findling dort gleich ruhte; an den 13 Vierkantlöchern, die man in ihn hineinschlug, ließen sich ebenfalls die Mondumläufe des Jahres zählen.  Als aber die Sonnenwendrichtung genau gefunden war, da baute man doch um den Zielpunkt den Jahreskreis IV mit den 13 Monatssteinen.  Lange Zeit mögen die Alten so das Jahr, mit der Wintersonnenwende beginnend, zu 365 Tagen gezählt haben, bis sie sahen, daß die Sonne in der Sonnenwendrichtung I-III-IV wenige Tage später aufging, als ihr Kalender zeigte.  Wieder ging manch ein Jahr eifriger Beobachtung darüber hin, bis sie erkannten: in jedem 4. Jahr geht die Sonne einen Tag später genau in der Richtung auf, die wir festlegten.  Da stellten sie noch vier Steine um den Kreis IV herum: drei eng beieinander, die die gewöhnlichen Jahre zu 365 Tagen bezeichnen sollten, den vierten besonders, denn in jedem 4. Jahre mußte das Wintersonnenwend- und Neujahrsfest zwei Tage lang gefeiert werden, sollte der Steinkalender weiter Anspruch erheben können auf genaueste Gültigkeit.


Die Kanzel im Steinkreis II.  Wenn man sie betritt, schaut man genau nach Süden.


Was bedeuten nun aber die beiden Steine in den Kreisen II und III?  Der Volksmund bezeichnet sie als die Kanzeln, weil die Erbauer Auftrittsstufen hineinschlugen.  Wer auf diese Kanzeln hinaufsteigt und einen Kompaß vor sich auf die Felskuppe legt, der sieht, daß sein Blick von der Kanzel des Kreises II genau nach Süden, von der Kanzel des Kreises III genau nach Westen gerichtet ist.  Die eine Kanzel war also der Beobachtungsstandpunkt für die Mittagslinie, die andere der Beobachtungsstandpunkt für den Sonnenuntergang zur Tag- und Nachtgleiche, also bei Frühlings- und Herbstanfang.  Daß die Erbauer es für nötig erachteten, diese beiden Linien von einem erhöhten Standpunkt zu beobachten, läßt darauf schließen, daß die Ziel- und Endpunkte dieser Richtungen ziemlich weit entfernt lagen.  Das erkennt man für die Mittagslinie auch schon aus dem Gelände: nach Süden fällt es stark ab auf einen Wiesengrund zu, dahinter steigt es wieder zu einer etwa 1 km entfernten Höhe an, die vom Steintanz aus den südlichen Horizont begrenzt.  Auf dieser Höhe, die schon seit langen Zeiten unter dem Pflug liegt, wird der Endstein der Mittagslinie gestanden haben.  Vielleicht war es einer von den beiden Steinen, die man auf dieser freien Höhe in neuerer Zeit als Festpunktsteine für die Landes- und für die Ortsvermessung verwandte. -
Daß der Kreis II außerhalb der Wintersonnenwendrichtung steht, läßt den Schluß zu, daß er einer anderen Richtung zugeordnet war.  Ein Felsen auf einer etwa 250 m nordöstlich liegenden Höhe und viele, zum Teil in einer Reihe liegende Felsen auf dem Hügel etwa 200 m südöstlich lassen die Vermutung aufkommen, daß in dieser von Südwesten über Kreis II nach Nordosten weisenden Richtung von etwa 48° die Vermarkung des Sonnenaufganges zur Sommersonnenwende gelegen hat.
Das astronomisch Wichtigste der Anlage aber steht einwandfrei fest, nämlich die Festlegung der 13 Monde und der 365 1/4 Tage des Jahres und der Wintersonnenwende als Jahresanfang.  Die Vermarkung der Tag- und Nachtgleichen und der Mittagslinie ist bei der Existenz der Beobachtungskanzeln mehr als wahrscheinlich.
Wie sieht es nun mit der Streckenmessung aus?  Ist auch bei der Errichtung des Steintanzes ein einheitliches Maß angewandt worden? 
Ja. - Dank der äußerst sorgfältigen Vermessung war aus den Tabellen der gemessenen Strecken nach kurzem Rechnen die alte Einheit gefunden:
1 Ur-Rute = 16 Fuß = 4,679 m.
Die größte Entfernung, die der Mittelpunkte I und IV in der Wintersonnenwendrichtung, ergab, nach Messung, Berechnung und Karte übereinstimmend
168,44 m, das sind genau 36 Ruten; die Nachprüfung der Teilstrecken I-III mit 28,07 m und III-IV mit 140,37 m ergab mit derselben absoluten Genauigkeit
6 Ruten und 30 Ruten.  Dasselbe galt für die Mittelpunktsentfernungen I-II und II-III, die mit 1872 m jede genau vier Ruten betragen.
Ebenso groß, wenn nicht noch größer als bei dieser Feststellung, war die Überraschung, als ich beim Nachschlagen in einer Zusammenstellung alter deutscher Maße sah, daß die Ur-Rute des Steintanzes kaum merklich abweicht von anderen Rutenmaßen, mit denen noch heute der deutsche Bauer rechnet: die heutige 16füßige mecklenburgische Rute ist nur um fünf Tausendstel kleiner als die Rute vom Steintanz, 16 bayrische Fuß sind nur um zwei Tausendstel kleiner als die
16 Fuß haltende Steintanz-Rute, die 16füßige hannoversche Rute gar stimmt fast völlig mit der vorgeschichtlichen Ur-Rute überein:

1 hannoversche Rute = 0,999 Ur-Rute!

Wie war nun die Unterteilung des uralten Rutenmaßes?
Die Durchmesser der Steinkreise geben darüber Aufschluß: Die Ur-Rute wurde, wie schon oben bemerkt, in 16 Fuß zu 0,2924 m eingeteilt.
Dieses Grundmaß, ein "Fuß" findet sich in allen europäischen Ländern wieder.  Nimmt man das Mittel aus allen älteren, oft um mehrere Zentimeter verschiedenen Fußmaßen Europas, so erhält man annähernd den Ur-Fuß vom Steintanz.  Man darf annehmen, daß das Fuß- und Rutenmaß von der vermutlichen Urheimat der Indogermanen, von der norddeutschen Wasserkante aus seinen Weg durch Europa - und in neuester Zeit auch in das russische Asien, nach Amerika, Australien und alle englischen Kolonien - gemacht hat.  Die vorgeschichtlichen Wanderungen nach Süden und Westen brachten die Abweichungen von dem beim Steintanzbau verwandten Ur-Fuß mit sich.  Die größeren Abweichungen im Süden sind: in Sachsen -0,92 cm, in Thüringen -1,04 cm, in Württemberg -0,60 cm, in Österreich +2,37 cm, und im Westen: in England +1,24 cm, in Frankreich +3,24 cm.  An den von der norddeutschen Heimat des Fußes und der Rute entferntesten Punkten, wie Österreich und Frankreich, sind die Abweichungen naturgemäß am größten, während nahe der Heimat das Maß fast unverändert blieb.  Die Abweichungen betragen hier: in Mecklenburg -0,14 und in Hannover -0,03 cm Unterschied vom Steintanz-Ur-Fuß.
Der "Fuß" war sicherlich das allererste Maß.  Mehrere Einheiten dieses Grundmaßes faßte man dann zusammen zu einer neuen, praktischeren, übergeordneten Einheit.  Die gebräuchlichste war 1 Rute = 16 Fuß.  Die Vermessung des Steintanzes wurde mit diesem Maße ausgeführt, das sich auch sonst oft wiederfindet: beim Steinkalender von Odry und heute noch in Hannover, Sachsen, Thüringen, Braunschweig und Mecklenburg. 
Daneben aber bestand noch ein anderes Maß, in dem 6 Fuß zu einer neuen Einheit, einem "Faden" = 1,765 m, zusammengefaßt waren.  Der bei den Steintanzerbauern auch schon gebräuchliche Faden = 6 Fuß, findet sich noch heute in Schweden (der schwedische Faden ist um 2% kleiner als der vom Steintanz), ebenso in Frankreich und Österreich, wo man ihn "Toise" und "Klafter" nennt.  Auch die preußische und die oldenburgische Rute sind auf der Fadeneinheit zu 6 Fuß aufgebaut: 2 Faden (= 12 Fuß) sind eine preußische Rute, 3 Faden (= 18 Fuß) sind eine oldenburgische Rute.
Auch das griechische Altertum rechnete mit dem attischen "Fuß", der genau wie der römische, um nur -0,33 cm vom Steintanz-Fuß abweicht.  Das alte Griechenland scheint außerdem auch die Fadeneinheit = 6 Fuß gekannt zu haben, denn das Hundertfache dieser Einheit ist ein Stadion = 600 Fuß.  Ob auch die Rute = 16 Fuß (75 Ruten = 2 Stadien) bei den Griechen ursprünglich in Gebrauch war, weiß ich nicht.  Die Grundrisse der älteren griechischen Baudenkmäler aber könnten darüber Aufschluß geben.
Es ist anzunehmen, daß die Einheiten "Fuß", "Faden" und "Rute" (und "Kette"?) bereits seit langem bekannt und gebräuchlich waren, bevor der Steintanz erbaut wurde.  Die Sonnenwendrichtung des Steintanzes wurde, wie sich bei der astronomisch-mathematischen Berechnung aus den Ekliptikänderungen der Erdachse ergibt, etwa im Jahre 1181 v. Chr. festgelegt.  Die Anlage ist also bereits 3100 Jahre alt.  Vieles spricht dafür, daß das Fuß-Ruten-System noch verschiedene Jahrhunderte älter ist, so daß man für dieses Maßsystem ein Alter von 4000 Jahren annehmen darf."
"Das größte und bedeutendste der heiligen Feste, die einst beim Steintanz gefeiert wurden, war wohl das Fest der Wintersonnenwende.  Die Hauptrichtung I-III-IV der Anlage weist darauf hin.  Dies Fest ist in allen nordischen Ländern stets von großer Bedeutung gewesen.  Feiern doch auch wir noch, bewußt oder unbewußt, dieses Fest - bei den alten Deutschen hieß es das Jul (= Jubel)-Fest - in unseren Weihnachtsbräuchen: die Weihnachtskerzen sind das Symbol des siegenden Lichts, die Früchte, Äpfel und Nüsse, deuten auf das wiederkehrende, neu keimende Leben in Feld und Flur hin.  Und wie wir unser größtes christliches Fest der Weihnacht in den kürzesten Tagen des Jahres feiern, so feierten zur selben Zeit unsere Ahnen vor mehr als 3000 Jahren beim Steintanz das Fest der Wintersonnenwende.
Unverrückbar, tief und fest verankert in der Erde stehen, die Felsen des Steintanzes.
Sie sahen Jahrtausende aufsteigen.  Und mit ihnen besteht weiter die heilige Stätte, zu deren Hütern die Vorfahren sie einst bestellten.
Unsere faustischen Ahnen, die vor Jahrtausenden die erste Erkenntnis der unabänderlichen Gesetzmäßigkeit alles Erdgeschehens vom gestirnten Himmel herabholten, und die als Mahnmal dieser Erkenntnis die heiligen Kreise schufen, sie reichten die Fackel des Lebens weiter von Geschlecht zu Geschlecht, so daß aus ihrem Blut und Geist die Großen der germanischen Art entstehen konnten.
Heilig ist die Stätte noch heute, denn sie gibt dem, der zu ihr wallfahrtet, beides: tiefe Demut und hohen Stolz.  In ihren heiligen Kreisen umfängt uns ein Schauer frommer Ehrfurcht vor dem Suchen und Schaffen unserer vorgeschichtlichen Ahnen und vor ihren grundlegenden Kulturtaten, deren - oft gedankenlose - Nutznießer wir nach über 3000 Jahren sind."


(Auszugsquellen: Buch "Germanische Heiligtümer" v. Wilhelm Teudt, 4. Aufl., 1936, Eugen Diederichs Verlag/Jena;
Buch "Hoch-Zeit der Menschheit" v. R. J. Gorsleben, Faksimile-Nachdruck v. 1930, Faksimile-Verlag Bremen)






Astronomisches Gutachten und Bemerkung:

1) Die Richtigkeit der astronomischen Urteile und Berechnungen im Gutachten ist von keiner Seite einem Zweifel unterzogen gewesen.
Betrifft die astronomische Orientierung             
des Hauses Gierken in Oesterholz,                 Berlin-Dahlem, 1926
Teutoburger Wald                                         November u. Februar

Wir, die unterzeichneten Astronomen am astronomischen Recheninstitut der Universität Berlin, sind von Herrn Direktor W. Teudt-Detmold gebeten worden, die Messungen der Azimute der Umfassungsmauern des Gutshofs Gierken in Oesterholz am Teutoburger Wald daraufhin zu prüfen, ob die Vermutung zutreffend sei, daß ihre ursprüngliche Anlage in prähistorischer Zeit unter astronomischen Gesichtspunkten erfolgt ist.  Ein amtlicher Katasterauszug, auf dem die Umfassungsmauern als solche kenntlich sind, war beigefügt.
Als Breitegrad wurde 51° 50' in die Rechnung eingeführt.  Von der Umfassungsmauer I soll der nördliche Teil unberücksichtigt bleiben, weil seine ursprüngliche Richtung durch den neuerlichen Heranbau eines Wirtschaftsgebäudes gestört sei; desgleichen das südwestliche Ende der Umfassungsmauer VI, weil seine Richtung in sich schwankend sei.  Danach haben die Linien noch folgende Längen: I = 14 m, II = 172 m, III = 193 m, IV = 270 m, V = 112 m, VI = 116 m.  Diese Längen reichen für die gewünschte Untersuchung vollkommen aus, auch wenn innerhalb der Linien erheblichere Schwankungen enthalten sein sollten, als es nach dem Katasterauszug der Fall ist.
Die Azimute, das sind die Abweichungen der Richtungen von der Nord-Südrichtung, sind nachgemessen und als ausreichend genau befunden, zumal bei der Errechnung prähistorischer Azimute stets eine Genauigkeitsgrenze von mehreren Zehntel Graden angenommen werden muß, die auf Abkürzungen in den letzten Dezimalen der Rechnung beruht und auch in der Unsicherheit der benutzten Sternörter liegt.  Daher kann eine ganz genaue Zeitbestimmung nicht erwartet werden, obgleich hier der weitaus günstigste Fall vorliegt, daß die Berechnung auf Grund mehrerer Fixsternazimute erfolgen kann, während bei einer Berechnung von Sonnen- und Mondazimuten ein Spielraum von Jahrhunderten gefordert werden müßte.
Als Ergebnis der Untersuchung kann mitgeteilt werden, daß die Azimute aller sechs in Frage kommenden Linien mit ausreichender, zum Teil mit überraschend großer Genauigkeit sich mit den von uns für die Zeit um 1850 Jahre vor Christi errechneten Azimuten von als mythologisch bedeutsam angegebenen Gestirnen decken.
Je beschränkter die Anzahl der zu berücksichtigenden Gestirne war, um so mehr erscheint es als ausgeschlossen, daß bei der Anlage des Gutshofes diese sechs Azimuten sich zufällig, das heißt ohne astronomische Rücksichten ergeben haben sollten.  Um zu diesem Urteil zu gelangen, bedarf es keiner formellen mathematischen Wahrscheinlichkeitsrechnung, für die eine umständliche Verständigung über die einzusetzenden Faktoren erforderlich sein würde.  Zur Kontrolle sind von uns für sämtliche hellen Sterne die Azimute für die Epochen + 1000 nach Chr. 0, - 1000, - 2000, - 3000, - 4000 vor Chr. gerechnet worden, mit dem Ergebnis, daß nur für die angegebene Epoche von 1850 vor Chr. sich gleichmäßig für mehrere Sterne Azimute ergaben, die den amtlichen Messungen der Grenzen des Gutshofes entsprachen, und zwar nur für die hierunter aufgeführten Sterne.  Die Azimute sind berechnet unter Berücksichtigung der sich vorfindenden Überhöhungen durch den Teutoburger Wald im Osten bis Nordwesten in Entfernungen von 5-14 1/2 km, sowie einer mittleren Strahlenbrechung.




Bezeichnung der Linie
Errechneter
Stern-Azimut


Zeit
I
II

III
IV
V
VI

180 (0,8)
39 (39,8)
141 (143,2)
59 (59,9)
151,5 (151,5)
72,5 (71,5)
138 (137,2)

Meridian
Südliches Mondextrem, Aufgang
Nördliches Mondextrem, Untergang
Sirius Untergang
Kapella Untergang
Delta Orion Untergang
Kastor Aufgang

180
39,0
141,0
59,1
151,3
72,6
138,0



- 1850
- 1850
- 1850
- 1850

Aufgänge und Untergänge haben für die Bestimmung der Sternörter die gleiche Bedeutung.
Bei der schnellen Veränderung der Sternörter infolge der Präzession ist die Genauigkeit der Zeitbestimmung auf etwa fünfzig Jahre anzusetzen.
Die Mondorte ändern sich sehr langsam, und sodann ist der Auf- und Untergang eines so ausgedehnten Gebildes, wie es die Mondscheibe ist, sehr schwer punktförmig ohne genügende Instrumente zu beobachten.
Die Zeitrechnung war daher auf die vier Fixsternazimute zu beschränken, da auch die sich gleichbleibende Meridianlinie für die Zeitberechnung nicht in Betracht kommt.
Ein besonderer Wert der Mondazimute liegt in dem Nachweis, daß man hier zu jener Zeit überhaupt den Aufgängen des Mondes seine Aufmerksamkeit in solcher Weise geschenkt hat und die Kenntnis der in der Chronologie als Sarosperiode bekannten 18jährigen Mondperiode besaß.
Die Bedeutung für die Geschichte der Astronomie, die den im Gutshof Gierke aufgedeckten Tatsachen beizumessen ist, liegt unseres Erachtens zunächst in der eben erwähnten Feststellung der Kenntnis der Saros, die auf eine lange Zeit astronomischer Beobachtungen schließen läßt.  Sodann in der Feststellung, daß auch die Auf- und Untergänge von Sternen beobachtet wurden, daß dabei dieselben Sterne bevorzugt wurden, die in der Astronomie der Orientalen und der Antike ihre Rolle spielten und schließlich, daß die Germanen um jene Zeit bereits eine alte und hochentwickelte Beobachtungskunst besaßen.
Was den Zweck der ganzen Anlage anlangt, so wird durch ihre Beschaffenheit, Größe und Ortslage die Vermutung wachgerufen, daß hier eine für das ganze Volk bedeutsame Pflegstätte und Lehrstätte der astronomischen Wissenschaft mit ihren vielseitigen Aufgaben für den religiösen Kultus, die Astrologie, die Ackerbebauung und das übrige vom Kalender abhängige Volksleben gewesen sei.
Das rein astronomische Ergebnis tritt an Bedeutung hinter dem anderen Ergebnis zurück, daß mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, es habe bereits in prähistorischer Zeit in den germanischen Ländern eine hohe Kultur bestanden.
gez.: Prof. Dr. P. Neugebauer  gez.: Prof. Dr. Johannes Riem


Gewisse Verschiedenheiten bei der Messung der Winkel, den die Grenzlinien zur Pollinie bilden, beruhten darauf, wie angesichts der vorhandenen Unebenheiten das Lineal angelegt wurde.  Die Verschiedenheiten der Messung, die der Kritik Anlaß zur Beanstandung des astronomischen Befunds gaben, hielten sich in solchen Grenzen, daß die astronomischen Gutachter sie als belanglos für das Gesamturteil erklärt haben.
Ein auf die Jahre um 600 vor Chr. hinauslaufende Berechnung der Sternazimute durch Prof. Hopmann läßt sich vielleicht mit der Riem-Neugebauerschen Berechnung auf's einfachste im Blick darauf vereinigen, daß auch die Himmelskundigen um 600 das Bedürfnis hatten, die vorhandenen Linien für ihre Wissenschaft praktisch zu verwerten.


2) Wasserbach, De statua illustri Pag. 6, Lemgo 1698.


3) Jeremias a. a. O. S. 274, Anm. 4; 172 und 339; 274 Anm. 304.


4) Jeremias, Handbuch der altorientalischen Geisteskultur, Berlin, W. de Gruyter, 1929, S. 232.


5) Jeremias a. a. O.  S. 339.