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Grundlagen einer neuen Mondkunde



Als Grundlagen zur Mondkunde konnten nach bisheriger Auffassung gelten, die genährte Kreisform der "Gebirge", der - von der Erde gesehene - kreisförmige Umfang, die Beurteilung der Kugelform des Mondes oder ihrer abweichenden Gestaltung, der Mangel einer Lufthülle und ähnliches.
Daß sich damit und besonders unter Verwertung tellurisch gerichteter Erfahrungen die Mondfragen nicht beantworten ließen, daß weder der Vulkanismus noch die Annahme von Meteoreinschlägen die Geheimschrift lesen lehrten, von Voraussetzungen noch engeren Umfanges abgesehen, darüber besteht wirklich für tiefer Blickende kein Zweifel mehr.

Eine "neue" Grundlage der Betrachtung des Baues der Mondschale muß daher darauf verzichten, alte Voraussetzungen in neues Gewand zu kleiden.  Wie im 2. Teile meiner neuen Publikation angedeutet und in Schaubildern bewiesen, wurde diesmal die ganz unpersönliche Statistik zum Reden gebracht.  Das mag in anderen Fällen für eine einseitige Beweisführung gelten; hier wurde sie nicht ad hoc gesucht, sondern sie spricht für sich selbst.
Wer sich nicht nur um reizvolle mondliche Bildeindrücke bemühte, sondern einen Ein- und Überblick über den gesamten - halben - Planeten erstrebte, der konnte sich über manche "Naturspiele" oder "Launen" wundern oder freuen oder auch nachdenklich werden.  So ist es immer als lustige Zier empfunden worden, wenn etwa dem Mare crisium ein Mare humorum oder einem Posidonius sein Spiegelbild Gassendi "gegenüberlag".  Ernstere Ordner des Chaos von Formen sahen im Zug der großen Niederungen die Andeutung einer früheren Äquatorlage, also einer anderen Achsenschiefe; und es ist schade, daß mancher Gedankengang, der etwa die Reihenbildung der Rundformen, so des Ptolemäus-Alphonsus-Arzachel und anderer Gruppen, merkwürdig und überlegenswert fand, nie loskam von irdischen Erfahrungen, als ob der Mond nur "eine andere Erde" wäre und kein in allen Stücken fremder, nur zufällig erdnaher Himmelskörper, auf dem eine fremde Währung gilt und in völlig fremdem Klima eine nur eben hier zu findende Natur gewaltet und gestaltet hat. Solche Verschlossenheiten öffnet man nicht mit einem beliebigen Dietrich, hier muß ein neuer Gedanke helfen durchzukommen.

Sehen wir uns zunächst einmal jene Statistik an, die nur insofern neu ist, als ein unbestimmtes Gefühl in klaren, durch Form und Zahl bestimmten Begriff umgeformt wurde.

Am Monde gibt es wohl 100 000 Rundformen vom 500 m großen Grübchen bis zur streng geschlossenen Ebene von weit über 400 km Durchmesser.  Es bedarf kaum der Erwähnung, daß die größten davon in irgendeiner Weise an die ehemaligen Bildungskräfte und -Umstände augenfälliger gebunden sein werden als die kleinen, die sichtlich über alle anderen verstreut liegen.  Auch sind die großen älter, denn sie liegen unter den neueren kleinen "Kratern".  Wie die noch gewaltigen Anfangskräfte wirkten, können nur sie aussagen.  Stellt man nun auf der Mondkarte alle Rundformen von 60 bis über 400 km Größe zusammen dar, also vom Eratosthenes zu den geschlossenen Kleinmaren, dann liegen weitaus die meisten gegen den Mondumfang hin angeordnet.  Ob man die 27 allergrößten (152 bis 412 km) allein aufzeichnet, ob man die 55 Rundformen von 101 bis 143 km betrachtet oder den Versuch mit 143 Formen von 60 bis 100 km Größe macht, jedesmal stellt sich das gleiche Bild dar, nur gibt es bei der 3. Gruppe ein Dutzend Streu- punkte auch näher der Mitte.  Weiter herunterzugehen hat wenig Zweck, weil sichtbar die Ordnung gilt: Je kleiner, desto zahlreicher und gleichmäßiger verteilt.  Das ist natürlich.

Die Frage lautet nun: Wenn die 255 Größtformen der Mondoberfläche zu allermeist die Randzone bevorzugen und nur in einem Gruppenzuge radial bis nahe zur (heutigen) Scheibenmitte reichen, dann können sie nur entstanden sein, als der Mond schon ohne Eigendrehung um die Erde kreiste; und weiter zeigt sich, daß schon damals, als die - beliebigen - Kräfte gerade die größten Rundformen "randnahe" schufen, keine Rotation mehr bestand.  Allerlei Überlegungen und Anzeichen weisen auch darauf hin, daß unsere Erde sowohl im großen als auch im kleinen als Gestaltungsursache wirkte: So beim Problem der Hereinwölbung der Mondschale gegen die Erde, so bei der Beurteilung der Verteilung der großen Niederungen (Mare) und eines ehemaligen Äquators, so bei der jetzt aufgedeckten Verteilung der Rundlinge.  Mit diesen "neuen" Schlüsseln muß man die Tore zu öffnen versuchen.


(Bildquelle: Buch "Glazial-Kosmogonie" von Hörbiger/Fauth, 1925)
Mondpartie östlich des 30. Grades westl. Länge, Theophilus-Cyrillus, Altaizug, etz.
Nach einem Original vom 40-zölligen Refraktor der Yerkessternwarte.


Es gibt wohl gar keinen planetarischen Körper von einiger Größe, Kleinstplanetoiden eingeschlossen, der nicht eine Eigendrehung gehabt hätte und bei einiger Größe nicht noch hätte, zwingende Umstände wie bei Merkur und Mond ausgenommen; aber diese hatten Eigendrehung, mußten sie gehabt haben.  Wie Merkur sie verlor, ist leicht einzusehen, und daß die Erde sie dem Monde geraubt hat, dürfte ebenso klar sein.  Es ist aber zu überlegen, seit wann der jetzige Zustand eintrat und auf welchem Wege das geschah.

Da kommen wir wieder zu der Auffassung der einstigen Selbstständigkeit der Luna und ihres "Einfanges" durch die Erde.  Hoffentlich glaubt kein Mensch mehr ernstlich an die Geburt des Mondes aus der Erdkruste; und die Vorstellung des Eingefangenseins ist jetzt schon ein Jahrhundert alt.  Neuere Kosmologen und Analytiker äußern die gleiche Überzeugung, die vor 36 Jahren (im Jahr 1897) für Hanns Hörbiger die Grundlage seiner Mondkunde war.  Hier ist nicht Raum, den Einfangsvorgang nochmals zu erläutern.  Aber an folgendes sei erinnert.  Kleinkörper pflegen erfahrungs- gemäß trägen Umschwung zu haben, Großkörper sehr lebhaften.  Unsere Luna mag unsertwegen 50 oder 80 Stunden zur Umdrehung nötig gehabt haben, rasche Rotation wäre jedenfalls schwer zu begründen.  Hier handelt es sich darum, daß eine mit hoher Selbstverständlichkeit vorhandene Eigendrehung durch die Anwirkung der Erde nach dem Lunaeinfang allmählich vernichtet wurde.

Das ist das eine; das andere können wir so ableiten: Wir haben am Ozean der Erde das Beispiel, wie die Anwirkung des kleinen Mondes (1/81,56 der Erdmasse) das Bewegliche trotz ziemlich schnellen Entgleitens unter dem Mondorte (bis zu 465 m/sec) zu heben und in Flutwellen umzuwühlen vermag, auch trotz der Abgeschlossenheit mancher Ozeanstrecken (Atlantik!) in O-W-Richtung.  Wendet man diese Gezeitenerfahrung auf den Mond an, wobei nicht vergessen werden soll, daß auch die Erdkruste in Gezeitenwellen schwingt, dann bedarf es wohl keines großen Glaubens, daß die 81,56 mal so starke Anwirkung der Erde den armen kleinen Mond bis zur Unkenntlichkeit seines ehemaligen Antlitzes zerzaust haben muß; wohl aber bedürfte es einer übermenschlichen Vorstellungskraft auszumalen, wie das sich abspielte, unter welchen Vernichtungs- und Schöpfungsvariationen der Mond gebändigt, d. h. seiner Umdrehung beraubt worden ist, um dann modelliert und ziseliert zu werden, als er schön stillhielt.  Hier liegt in der zwangsläufigen Entwicklung eines Systems das Geheimnis des Mondantlitzes.  Alles fügt sich, rundet sich zum lückenlosen Bilde.

Aber wie ist nun die Runenschrift eingeprägt worden?  Da bleibt nur die Lösung übrig: durch Gezeitenhub, durch Zug und Druck auf die Mondschale, deren Richtungslinien sich am drehungslosen Monde vornehmlich am und nahe dem Umfange in endloser Wiederholung anlegten und kreuzten.  Daß gerade gegen die Quelle der Anwirkung, gegen die Erde, kein besonderer Reichtum von Rundplastik zu sehen ist, kommt davon, daß hier, wo der Kraftwechsel von Hüben und Drücken am stärksten sich auswirkte, bis in späte Bildungszeit hinein das Gewordene wieder zerstörte bzw. überflutet wurde.  Und es könnte uns gleichgültig scheinen, ob das Magma- oder Wasserfluten oder sonst etwas war, wenn es sich nur um die Morphologie handelte.  Dann könnten die "Mondkrater" unsertwegen auch aus erstarrtem Paraffin, Wachs oder Schusterpech bestehen; aber die Bildungen haben auch eine Weiße, haben Glanz, verbleichen und gehen im Glanz allmählich wieder zurück, um das in 8000 Jahren 100 000 mal zu tun.  Welcher Stoff tut das, welcher verträgt das, dauernd "gebleicht" und wieder grau zu werden?  Ja, welches "Gestein" hält es aus, ebenso oft - nach fachmännischen Strahlungsmessungen - zwischen ca. 400° C ausgefroren und ausgeglüht zu werden, ohne daß es längst in Staub zerfallen wäre?  Es gibt nur einen Stoff, der dessen fähig ist, das ist das Eis, das Hanns Hörbiger - nicht als Erster gesehen, bewahre! - aber als Erster begründet hat.

Und das ist auch eine nicht üble Folgerung aus den "neuen Grundlagen einer Mondkunde", um die künftig keine Mondtheorie herumkommt.

Vielleicht denkt der Leser, der kein Freund statistischer Ausbeute ist: "Viel Lärm um nichts."  Aber wir können auch mit feiner Auslese aus unserer Statistik dienen.  Es ist doch nicht allein Laune der Entwicklung oder Zufallsspiel der Natur, wenn sich zwei Ebenen wie das Mare crisium und das Mare humorum symmetrisch gegenüberliegen, noch genauer die Wallebene Humboldt und Otto Struwe, der große Janssen und der Sinus iridum, Cleomedes und Schickard, Mare Humboldtianum und der große Bailly, die Großkratergruppe am SSW-Rande und die am NNO-Randes des Mondes, die meridionale Großkraterfolge nahe dem WSW-Rande und die nahe dem ONO-Rande; oder wenn paarweise symmetrisch gelagert sind: Posidonius und Gassendi, Mare nectaris und humorum, Fracastorius und Letronne, Lemonnier und Letronne, Janssen und die Ebene östlich des Schiller, Bürgebene und Ramsdenebene, oder Bürgebene und Sinus iridum.  Hier ist deutlich zu erkennen, daß die Kraftäußerungen, die zur Bildung der Rundformen führten, oft gleichzeitig zwei gleich stark beanspruchte Punkte in gleichem Mittelabstand angriffen und folgerichtig auch überraschend gleichartige Formen erzeugten, wenigstens den Grund dazu legten, so daß spätere Nachwirkungen den Ausbau übernehmen konnten.

Oder wir nehmen richtige Besonderheiten heraus: die korrespondierenden Senkungsgebiete Mare nectaris und Mare humorum sind beide von zahlreichen Bruchzonen konzentrisch beringt, Posidonius und Gassendi ähnlich geschmückt, Petavius, Boussingault, die Schiller benachbarte Ebene dreifach beringt u. a. m. - Und sucht man die auffälligen größeren Kraterzwillinge heraus, etwa wie Theophilus-Cyrillus, Steinheil-Watt, Sirsalis und viele andere, so sind auch sie wie die 225 Großformen peripherisch gehäuft.  Sogar wo Wälle größerer Krater von Parasiten durchbrochen sind, kommt das weitaus überwiegend in der gleichen Umrandung vor, und auch die umstrahlten Krater scheinen diese wenigstens zu bevorzugen.  Alles in allem deutet also auch das Auftreten besonderer, gar nicht sehr häufiger Kennzeichen auf Bevorzugung der Randteile des Mondes und läßt nur den zuerst gezogenen Schluß zu.  Selbstverständlich hat das große Bedeutung für die Entstehungsgeschichte der einzigartigen Mondmodellierung, die auf der Erde kein Gegenstück hat, sicherlich nicht in dem gerne genannten "Arizonakrater".

Zum Schluß sei noch eine weitere Erkenntnis genannt, die auf reiner Abzählung und Messung von 1500 "Kratern" beruht bis etwa zu denen von 12 km Durchmesser herab.  Niemand wird überrascht sein zu hören, daß die größten am seltensten, die kleinsten am zahlreichsten vorkommen.  Das ist mit den Äpfeln am Baume genau so, und um dieser Erkenntnis willen habe ich Genüge gefunden an meiner Statistik von 1895.  Diesmal ergab aber das Schaubild der Häufigkeitskurve, besonders nach einer ersten Ausmittelung, daß die Rundformen von den ältesten an bis zu den jungen durchaus nicht in stetiger Bildungsarbeit entstanden sein können.  Bei den größten bis etwa 100 km Durchmesser herab kann man wegen ihrer geringen Zahl wohl eine stetige Zunahme an Zahl bei Abnahme der Größe ersehen, aber von da bis 12 km Größe herab verläuft die im allgemeinen als halbe Parabel erscheinende Kurve (Fig 1, Tafel 16 meiner Publikation VI) in deutlichen Wellen und verrät, daß Zeiten geringerer und lebhafterer Bautätigkeit miteinander wechselten.  So kommen z. B. Durchmesser von ca. 76 km, 55 km und 41 km häufiger vor als benachbarte Größen, ja man könnte etwa 5 lebhaftere Bauperioden ablesen.

Wenn man nach den Ursachen dieser ja nur angedeuteten Abweichung von einer naheliegenden Regel fragt, so kann - mit Vorbehalt - nur auf gegenseitige Einflußschwankungen zwischen Erde und Mond hingewiesen werden.  Es besteht alle Wahrscheinlichkeit, daß alle mondlichen "Wannen", es sind nämlich nicht eigentlich "Gebirge", durch Gezeitenatmung herausmodelliert wurden; und da spielt die Bahnform und -Lage der noch nicht allzu lange zum Trabanten gewordenen Luna die Hauptrolle.  Exzentrizität und Neigung der "neuen" Mondbahn bedingten nebst ihrer Veränderlichkeit jenen Wechsel der Hubstärke und somit der Wannenausbildung in längerer Periode, der sich, wie die Kurvenanomalien andeuten, heute noch in unserer Frequenzkurve verrät.  Man braucht auf diese neue Aufhellung in der lunaren Statistik keineswegs zu schwören; aber immerhin ist ihr Anlaß derart, daß man ihn gewiß nicht gerne als wertlos verwerfen wird.  Und das vorläufige Beachten eines leisen Winkes aus der Welt der Zahlen sei allein empfohlen.

Eine "neue Selenologie" auf der Grundlage der hier genannten Eigenart lunarer Verhältnisse zu vertreten, ist nicht nötig; sie besteht in diesem Sinne längst und müßte bloß näher kennengelernt werden.  Was unser Hauptwerk nur großzügig umreißen konnte, habe ich in "Mondesschicksal" genauer im einzelnen zu sagen versucht, und die jetzt nach 8 Jahren erkannten Verhältnisse, die in der Mondliteratur wirklich "neuen" Erkenntnisse, sind erfreulicherweise nur eine neue Bestätigung für Hanns Hörbigers glücklichen Weitblick.

Philipp Fauth (Mondforscher)


(Quelle: Monatsschrift "Zeitschrift für Welteislehre, Heft 2, S. 33-38, Jahrg. 1933, Verlag Luken & Luken-Berlin)