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Kosmisch
orientierte Erdgeschichte |
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EINLEITUNG Seit Darwins
Tagen spielt die aus Denk- und Deutungsmitteln der Naturforschung
emporgetragene Entwicklungslehre eine erheblich große
Rolle. Es ist ihr Wesenszug, das Werdensschicksal der Erde und
alles Lebendigen, die Herkunft des Menschen, selbst das
Empordämmern seiner Wirtschafts- und Geisteswerte auf genauer
bestimmbare Naturabspiele zurückzuführen.
Erwiesen ist, daß die Erdoberfläche im Verlaufe eines nach Jahrmillionen zu bemessenden Zeitraumes ihr Antlitz bald mehr, bald minder erheblich verändert hat. Einen wiederholten Wechsel von Festland und Meer begleiten andersgeartete, heute längst erloschene Lebewesen, und die Gegenwartsgeschlechter einschließlich des Menschen sind als formgewandelte Endwesen eines sich weit verzweigenden Stammstrauches zu betrachten. So unbestreitbar diese wissenschaftlich erhärtete Tatsache ist, so erschüttert erscheint hiervor jener lange geübte Deutungsbrauch, alle Formveränderungen des Erdbildes und seiner Lebewesen auf lediglich zeitsummierte Ereignisse und Kräfte zurückzuführen, die wir im Gegenwartsgeschehen wirksam sehen. Ein paar klärende und historisch zeichnende Worte geben hier rasch Aufschluß. In zahlreichen
Veröffentlichungen und Sitzungen der gelehrten Welt wurde vor
wenigen Jahren (1932) des hundertsten Todestages Georges Cuviers
gedacht, dessen Wirksamkeit im Morgenrot des 19. Jahrhunderts besondere
Bedeutung erlangte. Als Bahnbrecher auf dem Gebiete der
vergleichenden Körperbaulehre, als Begründer einer für
die Folgezeit entscheidenden Klassifikation des Tierreiches, als
Urheber einer erstmals wissenschaftlich orientierten Lehre von den
ausgestorbenen Lebewesen, und nicht zuletzt als Schöpfer jener
nachmals unvergleichlichen naturhistorischen Sammlung am Jardin des
Plantes hatte dieser in Schwaben geborene Naturforscher grundlegende
Pionierarbeit geleistet.
Vergleichende Studien an vorzeitlichen Wirbeltierknochen und deren Lagerungsverhältnisse im Untergrund des Montmartre zu Paris hatten Cuvier den Schlüssel zu einer Erdgeschichtsdeutung geliefert, die den Werdensverlauf unseres Erdsterns von wiederholten Großkatastrophen, sogenannten "Kataklysmen", unterbrochen sieht. Wobei wiederum die Ansicht entscheidend ist, daß für die Auslösung derartiger Erdumwälzungen oder Erdrevolutionen Kräfte und Gewalten vorauszusetzen sind, die der Erdstern in historisch beglaubigter Zeit nicht mehr erlebte. Es ist somit im Sinne Cuviers auch nicht statthaft, das Erdbild der Vergangenheit ausschließlich aus Naturvorgängen abzuleiten, wie wir sie in der Gegenwart geologisch wirksam sehen. Das bedeutete aber eine
Kampfansage jener Forschungsrichtung gegenüber, die sich seit der
Wende des vorletzten Jahrhunderts (genährt durch des Grafen
Buffons Werke) gerade anschickte, alle gangbar überkommenen
Theorien von ehedem außergewöhnlichem Erdaufruhr oder
weltweiten Sintflutereignissen auszumerzen. Nichts dergleichen
würde sich vollzogen haben, und seit grauester Urferne würde
sich die Erdoberfläche katastrophal ungestört auf Grund von
Naturabspielen geformt haben, wie solche auch heutigentags aufbauend
und abtragend am Werke sind. Im Hinblick auf einen
erdgeschichtlich ausgedehnten Zeitraum würde ein sich summierendes
Kleingeschehen dem Wechsel von Festland und Meer, der Emporstauung und
Faltung von Gebirgszügen, bzw. deren Zerfall, vollkommen
Genüge leisten. Auch der naturforschlich im allgemeinen
recht weitblickende Olympier (Goethe) in Weimar glaubte dieser
Verteidigung eines erdgeschichtlichen Gleichgeschehens, diesem
"Aktualismus" im gelehrten Sinne beipflichten und die "vermaledeite
Polterkammer der Weltschöpfung " nebst "ihren tollen Strudeleien"
verspotten zu sollen. Und im zweiten Teil des Faust legt er
Thales die geflügelten Worte in den Mund, daß die Natur bei
allen ihren Werken "selbst im Großen" nicht Gewalt anwendet.
Die Gelehrtenschule um Cuvier
vermochte schließlich auch in der Folgezeit mit ihren
"erdrevolutionären" Ansichten nicht durchzudringen, und die
Autorität des englischen Erdgeschichtsforschers Lyell wurde
dafür entscheidend, daß die erdgeschichtliche Wissenschaft
ein langes Jahrhundert hindurch und bis in die jüngste Zeit hinein
im großen und ganzen den aktualistischen Standpunkt beibehalten
sollte, der sich methodisch in vieler Hinsicht bewährte, der aber
nichtsdestoweniger an Befunden stranden muß, die seine
Gültigkeit in Frage stellen, Spricht doch der hinreichend
erforschte Bau vieler Gebirgszüge, wie etwa der Zusammenschub der
Alpenmassen, für zeitlich kurz umrissene Gewaltabspiele, welche
die Gegenwart nicht kennt. Täler durchfurchen das
Erdantlitz, die von augenscheinlich weit stärkeren Wassermassen
verbreitert und vertieft worden sind, als dies in erdgeschichtlicher
Neuzeit im gleichen Zeitraum noch geschehen könnte.
Landschaften liegen vor uns ausgebreitet, deren Charakter deutlich
erweist, daß die schwachen geologischen Vorgänge der
Gegenwart allenfalls auszureichen scheinen, die altehrwürdige Form
zu verwischen, anstatt sie weiter auszuprägen. Als tote
Gebilde starren sie uns an, als Mumien einer Zeit, die offenbar anderen
Zuständen als heute ausgesetzt und anderen Naturgesetzen
unterworfen war. Aus ungezählten Schichtbildungen geht
jedenfalls hervor, daß es zuweilen recht lebhaft auf Erden
zugegangen sein muß, tausendmal lebhafter, als dies jemals in
historisch jüngerer Zeit zu verzeichnen ist.
Wenn beispielsweise bis in die
Neuzeit hinein als Ursache der das Erdbild verformenden Vorgänge
die allmähliche Schrumpfung eines dereinst feuerflüssigen
Erdkörpers geltend gemacht wurde, so vermag die Forschung diese
Ansicht nicht mehr aufrechtzuerhalten. Sie stellt aus guten
Gründen in Zweifel, daß der Vergleich mit einem langsam
eintrocknenden Apfel unmöglich angehen kann, um wesentliche
Züge im Antlitz unseres Planeten auf diese Weise zu deuten.
Sie spricht statt dessen von zeitweilig weitgreifenden Kraftanstrengungen oder Paroxysmen im Entwicklungsgang unserer Erde und bemerkt, daß derart gewaltsame Vorgänge nicht bloß dem Leben gegenüber katastrophal gewirkt, sondern zugleich jene Landschaftsformen geschaffen haben, die sich eben ohne zugestandene Revolutionsabspiele, gesteigerten Vulkanismus und weltweite Großbeflutung nicht enträtseln lassen. Man gibt unumwunden zu, daß solche Kraftanstrengungen in unseren Vorstellungen vom Gang der Erdgeschichte "die Rolle der alten Katastrophen übernehmen sollten". Damit erfährt der alte Cuvier sozusagen eine Ehrenrettung, wenn auch die naturforschlichen Mittel und inzwischen erworbenen Erfahrungen heute zu erweiterten und anderen Schlüssen drängen, als dies vor einem Jahrhundert noch möglich war. (Bildquelle: Bild wurde uns von Stefanie
W. zur Verfügung gestellt.)
Ungefähr in der Mitte des Bildes sehen wir das Haupterosionstal (Grand canon) des Colorado-Flusses in der Kanab-Wüste in Nordamerika. Die gewaltigste Schlucht der Erde; über 300 km lang, 7-8 km breit und bis zu 2 km tief. Diese großartigen Schichtenmassen können unmöglich nach der Lyellschen Deltatheorie abgelagert worden sein. Die Schlucht ist das Ergebnis späterer Mondfluten. Bedeutsam in diesem
Zusammenhang ist wieder die Erkenntnis, daß alles
Revolutionäre im Erdgeschehen sich offenbar rhythmisch vollzog und
sich dieser Rhythmus darin kundgibt, daß jeweils lange Zeiten der
Ruhe durch kurzweilige eines katastrophalen Sichaufbäumens der
Erdoberfläche abgelöst erscheinen.
Es hat Zeiten gegeben, die sich mit dem behäbigen Kleingeschehen der Gegenwart etwa vergleichen lassen, dann wieder solche, da im Eilschritt Gebirge getürmt, massige Schichten aufgestaut, da Lebewesen haufenweise für nachfolgende Versteinerung eingebettet wurden und Großbeflutungen der Erde an der Tagesordnung waren. Das alles wissen wir heute mit
einiger Sicherheit und haben als sinnvollstes und beweiskräftig
gewordenes Beispiel alles Rhythmischen das wiederholt sich vollzogene
Abspiel einer gigantischen Eiszeit vor Augen, die jeweils - neuester
Einsicht zufolge - beide Erdhalbkugeln bestürmte. Schon die
Erdurzeit hat Eiszeiten gekannt, und den jüngsten Klimasturz
dieser Art hat bekanntlich schon die Menschheit erlebt und schlecht und
recht überdauert. Es ist auch zur Genüge durchschaut,
daß eine Eiszeit jeweils mit einer Katastrophenzeit einhergeht,
bzw. dieser nachhinkt und zweifelsohne einen Wesensfaktor all jener
Geschehnisse darstellt, die in ihrer Gesamtheit eine geruhsame
Entwicklung des Erdkörpers, seiner Oberfläche und damit
seiner Lebensformen gestört erscheinen lassen.
Stellen wir aber die Frage nach der eigentlichen Ursache dieses rhythmischen Auf und Ab, so befinden wir uns in einer ähnlichen Lage wie schon dazumal der gute Cuvier, der es vorzog, diese für eine begründete Vorstellung noch nicht reife Frage unbeantwortet zu lassen. Jedenfalls sehen wir gegenwärtig unsere Erdgeschichtsforschung in einer Vielzahl von Deutungen verstrickt, die, mehr oder minder dogmatisch gelagert, nebeneinander herlaufen. Wir schlagen beispielsweise die Zeitschrift der Deutschen Geologischen Gesellschaft auf, die eine große Gelehrtenaussprache (1931) über das Schicksal der Erde enthält und finden darin den gegenwärtigen Stand der geologischen Forschung schon einleitend und durchaus treffend umrissen: "In den letzten Jahrzehnten sind Bausteine auf Bausteine zusammengetragen worden, die aber darauf warten, zu einem festen Gebäude zusammengefügt zu werden. Viele dieser Bausteine sind gut und fest, sie erfüllen alle Ansprüche und sind auch in ihrer Form ohne weiteres verwendbar. Manches ist aber auch darunter, das dem Hammer des Erbauers eines großzügigen Bauwerks nicht standzuhalten vermag. Wir können nicht länger in diesem Chaos von Bausteinen hausen. Der Wunsch, diese zu ordnen und zum wenigsten zu einem festen Fundament zusammenzufügen, ist seit Jahren in der Geologie immer lebhafter geworden..... Wir werden uns daran gewöhnen müssen, die Erde eben nur als einen winzigen Bestandteil des Weltalls zu betrachten und dürfen nicht alle Ursachen der Veränderungen in ihrem Gleichgewicht in ihr selbst suchen. Wenn wir uns hier von altüberlieferten, unbewiesenen Anschauungen frei machen, so werden wir zweifellos auch in der wissenschaftlichen Erkenntnis geologischer Erscheinungen erhebliche Fortschritte machen können." Die betonten Fortschritte
werden sich aber - wie das in neuesten Theorien über die das
Erdantlitz gestaltenden Kräfte bereits wieder durchblickt - nur
erreichen lassen, wenn man jenem Gestirn besondere Aufmerksamkeit
schenkt, das gegenwärtig der Erde am nächsten steht.
Das hat die Welteislehre in sehr weitgehendem Maße getan.
Sie hat unserem Erdmond sozusagen den Schlüssel zum Tor
erdgeschichtlicher Erkenntnisse abgerungen, und dies mit einer
Folgerichtigkeit, die keinen Zwang auferlegt, sondern die sich aus der
Gesamtdeutung der Sonnenreichentwicklung von selbst ergibt.
H.W. Behm |
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(Quellenschriftauszug aus dem Buch: "Die kosmischen Mächte und Wir" von H.W. Behm, 1936, Wegweiser-Verlag G.m.b.H, Berlin) |